Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)
eilte flugs die Stufen herunter und begutachtete die Fremde unverhohlen. Etwas in ihrem Blick erweckte den Anschein, als wäre ihr Gret bereits vertraut. Das aber konnte schlecht sein, stand sie Gret doch ebenfalls zum ersten Mal gegenüber. »Was haltet Ihr von ihr?«, raunte sie Dora ins Ohr. »Eine heimliche Heirat hätte ich Eurem Bruder nicht zugetraut. Ebenso wenig eine solche Frau.«
Dora ärgerte sich über die Einmischung und wandte sich deshalb gleich wieder an Jörg. »Hattest du Vater von deiner Heirat geschrieben? Mir hat er nichts erzählt.«
»So?« Über Jörgs Gesicht huschte ein Schatten. Als sie den bemerkte, fiel ihr auf, was sich an ihm verändert hatte. Der traurige Ausdruck war aus seinen Augen verschwunden, auch die Mundwinkel waren stärker nach oben gezogen als früher. Das musste Grets Verdienst sein.
»Du kennst doch Vater«, wiegelte sie gleich ab. »Mir hat er noch nie wirklich Wichtiges erzählt. Seit ich mit Urban verheiratet bin und in der Altstadt wohne, empfängt er mich ohnehin nur noch zum Bierbrauen. Dafür aber spricht er öfter als nötig bei Urban in der Rentkammer auf dem Schloss vor.« Sie schaute Jörg genauer an. Dabei fiel ihr noch etwas auf, was sie in der ersten Wiedersehensfreude völlig übersehen hatte. Er hatte die Ärmel seines Faltrocks bis zu den Ellbogen aufgekrempelt und eine große Schürze umgebunden. »Du wirst doch nicht etwa beim Brauen mit anpacken wollen? Du weißt, was Vater davon hält.«
»Warum nicht?«, mischte sich Gret ein. »Jörg versteht sich hervorragend aufs Brauen. Das hat er im Haus meines Oheims mehr als einmal bewiesen. Keiner wollte ihn ziehen lassen, so gut hat sein Bier den Gästen gemundet.«
Grets Stimme klang angenehm. Selbst das harte K hörte sich bei ihr an wie ein weiches G. Zudem sprach sie sehr melodisch. Sie musste eine angenehme Singstimme besitzen.
Neugierig betrachtete Dora sie noch einmal. Sie war in etwa so alt wie sie, ähnelte ihr auf den zweiten Blick allerdings doch nicht mehr so stark. Die Haarsträhnen, die unter der Haube hervorlugten, lockten sich auf Stirn und Schläfen. Um ihre Augen bildeten sich bereits muntere Falten, ebenso waren die leicht geröteten Wangen sowie die Stupsnase Zeichen der guten Laune, die sie versprühte. Ihr Mund war auffallend klein, das Kinn wohlgeformt. Keck reckte sie es nach oben. Den Kopf hielt sie leicht geneigt. Die Arme weiterhin in die Seiten gestemmt, den schmächtigen Leib mit dem auffallend großen Busen in den Hüften wiegend, ließ sie trotz aller Munterkeit keinen Zweifel, fortan die Herrin im Haus zu sein.
»Freut mich, Euch kennenzulernen.« Dora streckte ihr die Hand entgegen, Mathilda schnaubte verächtlich.
»Jörg hat mir schon viel von dir erzählt.« Gret stellte die vertraute Anrede gar nicht erst in Frage, wie die Bestimmtheit verriet, mit der sie Dora duzte. Um ihre Mundwinkel zuckte es verräterisch, dabei zeichneten sich zwei Grübchen auf den Wangen ab. »Ich freue mich sehr, dich endlich leibhaftig vor mir zu haben. Wie schön, dass wir gleich gemeinsam ans Brauen gehen. Brautage liebe ich. Hier bei euch in Königsberg wird es dabei kaum anders zugehen als bei uns in Nürnberg. Lass uns also endlich anfangen. Gewiss werden wir uns nicht nur dabei gut verstehen.«
»Bei der solltet Ihr auf der Hut bleiben.« Wie zufällig schob sich Mathilda noch einmal dicht zu ihr heran. »Mit der stimmt etwas nicht. Ich werde noch herausfinden, was.«
»Lasst das bitte«, wisperte Dora. Mehr als Grets zupackende Art störte sie Mathildas ungewohnte Vertrautheit. Unwillkürlich trat sie einen Schritt beiseite. »Es reicht, dass heute Mittwoch ist. Ein Tag, an dem eigentlich nichts Neues anstehen sollte.« Laut erklärte sie: »Ihr wolltet Renata oben in der Küche zur Hand gehen. Bestimmt braucht sie auch Hilfe in der Wohnstube. Der Frühjahrsputz steht bald an. Helft Renata bei der Vorbereitung.«
Missgestimmt verschwand Mathilda aus der Diele.
Entschlossen trat Dora zur Sudpfanne, prüfte den Hopfen im Korb und nickte Matas und Szymon zu. »Worauf wartet ihr? So, wie es aussieht, haben wir heute gleich zwei erfahrene Helfer mehr beim Brauen. Mit Leichtigkeit sollten wir also bis zur Vesper fertig werden, damit mein Vater zufrieden ist. Wo steckt er überhaupt?«, wandte sie sich an Jörg.
»Er begleitet Veit Singeknecht zu Tschakert in die Langgasse. Es heißt, Tschakert will sein Haus umbauen. Vater hofft, den Auftrag zu erhalten.«
»So früh am Morgen?«
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