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Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Titel: Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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Euch zu sehen!« Weit streckte er die Hand zur Begrüßung aus, klopfte erst dem Pfarrer freudig auf die Schulter, bevor er sich mit hochgezogenen Augenbrauen an Mathilda wandte. Das Unbehagen, eine Frau in diesen heiligen Hallen der Wissenschaft vor sich zu haben, war ihm deutlich anzusehen. Sogleich bemühte er sich, das mit besonderer Freundlichkeit zu überspielen. »Ich bin Benedykt Koźmin, Bibliothekar des ehrwürdigen Collegium Maius. Mit welchem Buch kann ich Euch dienen, Verehrteste?«
    Umständlich verschränkte er die kurzen Arme hinter dem feisten Leib und wippte auf den Spitzen seiner auffällig kurzen Füße. Für diesen Mann der Bücher existierte wohl allein das Gedruckte. Er hielt es nicht einmal für nötig, sich nach ihrem Namen zu erkundigen. Betont lange schaute Mathilda ihn aus ihren mandelförmigen grünen Augen an. Darüber wurde er sichtlich unruhig, zupfte an seinem bartlosen Kinn, wippte zwei, drei weitere Male auf den Fußspitzen nach oben, bis sie ihn endlich mit einem süßlichen Lächeln erlöste. »Nicht ich, sondern unser lieber Freund Tönnies wollte zu Euch. Offenbar will er mir etwas Wichtiges in Eurer Bibliothek zeigen.«
    »Genau«, pflichtete Tönnies bei. »Wenn Ihr erlaubt, dann gehe ich mit Mathilda Huttenbeck in die Libraria. Gestern habe ich dort in einem der Bücher etwas entdeckt, das ich ihr nicht vorenthalten will. Sie ist übrigens die Base des ehrwürdigen Urban Stöckel aus Königsberg. Ihr werdet Euch gewiss noch gut an den klugen Kammerrat des Herzogs erinnern. Außerdem ist sie schon lange mit Katharina König bekannt, der Gattin unseres gemeinsamen Freundes Polyphemus.«
    »Ah!«, entfuhr es Koźmin erleichtert. Die Erwähnung seines Königsberger Bibliothekarsgenossen öffnete bei ihm sämtliche Tore. Sogleich dienerte er beflissen vor Mathilda und ließ sie und Tönnies allein in die angrenzende Bibliothek gehen.
    Als Mathilda den weitläufigen Raum mit den deckenhohen Regalen, dem aufwendigen Kreuzgewölbe und dem kunstvoll schwarz-weiß gefliesten Fußboden betrat, verschlug es ihr die Sprache. Kaum wusste sie zu entscheiden, was ihr stärker den Atem raubte, die schier unermessliche Ansammlung der unterschiedlichsten Bücher oder aber die einem königlichen Thronsaal würdige Ausgestaltung des Saales. Mehrmals drehte sie sich um die eigene Achse und versuchte so viel wie möglich von der Besonderheit dieses unglaublichen Raumes in sich aufzunehmen. Das musste Dora einmal sehen!
    Zum Glück waren sie allein. Tönnies musste mit Absicht eine Stunde für ihren Besuch gewählt haben, in der Professoren wie Studenten anderweitig beschäftigt waren. Langsam dämmerte ihr auch, was er ihr in der Libraria zeigen wollte. Von neuem stockte ihr der Atem, wurde ihr doch schlagartig klar, dass sie den blassgelben, ungepflegten Pfarrer stark unterschätzt hatte. Anerkennend lächelte sie ihn an, zeigte auf die langen Reihen schwarzer, brauner und weißer Ledereinbände. »Was für ein kluger Einfall! Dazwischen habt Ihr also Urbans Aufzeichnungen versteckt. Jetzt bleibt uns nur zu hoffen, es ist Euch nicht ein wissbegieriger Studiosus zuvorgekommen, und Ihr findet sie rasch wieder, bevor ein anderer sie liest.«
    Sie trat zu einem der Regale und begann die Buchrücken abzusuchen. In goldenen Lettern waren die Titel der Werke in Leder eingeprägt. Allesamt handelte es sich um lateinische Worte, die sie nicht verstand. Irgendwo zwischen den Büchern aber musste der schmale schwarze Lederband stecken. Mehrmals hatte sie ihn bei Urban gesehen. Ihr Blick schweifte die endlose Reihe entlang, wanderte in die Höhe. Das mochten Tausende und Abertausende Bücher sein! Sie hoffte inständig, Tönnies hatte sich die Stelle gut gemerkt, an der er das Buch zwischen die ehrwürdigen Folianten geschoben hatte, sonst würde das Suchen rasch Tage, wenn nicht gar Wochen dauern. Nicht auszudenken, wenn der Band nach hinten gerutscht oder tatsächlich, wie eben von ihr scherzhaft bemerkt, von einem der Studenten herausgenommen worden war.
    »Natürlich weiß ich, wo ich ihn versteckt habe«, verkündete Tönnies mit einem siegesgewissen Lächeln und trat zielstrebig zu der gegenüberliegenden Wandseite. Die Regale reichten dort nur etwas über Kopfhöhe, darüber schloss sich eine Reihe buntverglaster Spitzbogenfenster an, die trotz des Regenschleiers vor den Scheiben für ein schillerndes Licht in der Bibliothek sorgten. Tönnies’ rechter Zeigefinger tippte eine Buchreihe auf Hüfthöhe

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