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Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Titel: Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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hören.
    »Welche Neuigkeiten bringt Ihr?«, wandte sie sich an Tönnies, tupfte sich zugleich mit einem Zipfel ihres verschlissenen Kleides die Stirn. Durch festes Pressen auf die Wunde versuchte sie das Bluten zu stoppen. »Was hat man mit mir vor?«
    Allzu viel Zeit blieb ihnen nicht. Jeder Moment, der verstrich, bis sich der Priester von seinem Schreck über das finstere Kellerverlies und das Gebrüll des Büttels erholte, fehlte zum Reden.
    »Also, leider nein.« Er wich ihr aus, ging, ohne sie anzusehen, zum Tisch und sank auf einem der Schemel nieder. Die Ellbogen auf die Tischplatte gestützt, bedeckte er das Gesicht mit den Händen.
    Dora haderte mit sich. Was sollte sie tun? Ihn packen und schütteln, bis er etwas sagte? Erschöpft lehnte sie sich gegen die Wand. Der Kopf schmerzte heftig, ihr schwindelte. Kaum konnte sie sich auf den Beinen halten.
    »Ihr seid also nicht gekommen, um mich hier herauszuholen? Habt Ihr keine Nachricht von den Singeknechts?«
    »Von wem?« Verwirrt schaute er auf.
    Da erst fiel ihr ein, dass er Veit gar nicht kannte, auch nichts von der unheilvollen Geschichte um Urbans Tod wusste. Hatte man ihm überhaupt von der Anklage gegen sie erzählt? Sie musterte ihn genauer. Er hatte das Antlitz wieder gesenkt, presste sich die Hände vor sein Gesicht, als ertrüge er ihren Anblick nicht mehr. Sie begriff.
    »Es besteht also keine Hoffnung mehr. Niemand kann noch etwas für mich tun.«
    Sacht schüttelte er den Kopf.
    »Alle haben mich vergessen! Haben mich fallen lassen wie ein Stück Dreck. Dabei habe ich nichts getan. Oder traut Ihr mir etwa zu, tatsächlich schuldig zu sein?«
    Plötzlich erfasste sie eine ungeheure Wut. Sie stürzte zum Tisch, rüttelte an seinen Schultern, bis er die Hände endlich von seinem Gesicht nahm und sie aus müden Augen anstarrte. Einen Moment verharrten sie so, die Gesichter dicht voreinander, den Atem des anderen auf der Haut spürend. Deutlich gewahrte Dora die gelblichen Punkte im unsauberen Grün von Tönnies’ Augen, musterte die farblosen Wimpern und die nicht minder farblosen Augenbrauen. Der fahle Ton seiner Haut ließ alles an ihm schwammig und aufgedunsen wirken. Von neuem widerte er sie an. Was war er nur für ein törichter Narrenesel? Nicht einmal dem abergläubischen Büttel vermochte er die Stirn zu bieten. Dabei hatte sich doch eben gezeigt, was für ein elender, feiger Zungenkläffer der war. Vor Wut schnaufend, ballte Dora die Fäuste. Doch wenn Tönnies wirklich ein solcher Hasenfuß war, woher nahm er dann den Mut, sich allen Widrigkeiten zum Trotz in die Tiefen des Ratskellers zu begeben und sie aufzusuchen? Dabei wusste er nicht einmal, weswegen man sie hier unten festhielt. Weder der angeblich so wackere Steinhaus noch seine feinen Krakauer Freunde aber hatten es bislang über sich gebracht, sie aufzusuchen. Zu sehr fürchteten sie sich wohl davor, sich mit einer verdammenswerten Gattenmörderin wie ihr gemein zu machen. Ihre Wut schwand.
    Je länger sie Tönnies in die schreckgeweiteten Pupillen sah, je tiefer drang sie in sein Innerstes ein. Am liebsten wollte er gleich wieder aus der Zelle fliehen, keineswegs länger als nötig in dem engen Keller eingesperrt sein. Dass er es trotzdem nicht tat, konnte nur eins bedeuten – er wollte ihr wirklich helfen.
    »Verzeiht«, murmelte sie und sank auf den zweiten Schemel. »Ich muss wirklich von Sinnen sein. Dabei bin ich Euch zutiefst dankbar, dass Ihr mich noch nicht aufgegeben habt. Ihr ahnt nicht, welch Freude mir Euer Auftauchen bereitet. Das sinnlose Warten zermalmt mich, wie kein Mühlrad es je vermag. Der Teufel hat ein leichtes Spiel, mich zu verführen.«
    Zu ihrem Erstaunen streckte Tönnies schüchtern die Hände nach ihr aus. Bang hob sie den Blick. Die Blässe auf seinem Gesicht hatte nachgelassen, selbst das Gelbliche in seinen Augen besaß auf einmal etwas Aufmunterndes. Er lächelte!
    »Es gibt Hoffnung. Deshalb bin ich gekommen.«
    »Was?« Sie meinte ihren Ohren nicht zu trauen. Zu sehr musste das ewige Geschrei der Gefolterten ihnen zugesetzt haben. Oder war es das Wort Hoffnung, dessen Bedeutung ihr in der endlosen Warterei völlig entglitten war?
    2
    W ie befürchtet, reichte die Zeit kaum aus, um von Tönnies auch nur das Allernotwendigste zu erfahren, was sich seit ihrer Verhaftung ereignet hatte. Tatsächlich war bislang weder ihm noch der Base Genaueres über die schweren Anschuldigungen gegen sie bekannt. Um ihn nicht zu verprellen, beließ sie es

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