Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)
Hausvogts, Caspar von Nostitz, in Albrechts Dienste zurückzukehren. Aus Rache für die alten Geschichten nutzte er gleich die erstbeste Gelegenheit, beim Herzog dieses Mal Urban in falsches Licht zu setzen. Unstimmigkeiten bei der Beauftragung von Handwerkern auf dem Schloss, schlechte Führung des herzoglichen Haushalts auf Ragnit, Eigenmächtigkeiten bei der Einrichtung der Universität und Ähnliches mehr will er sofort bei Amtsantritt in der Rentkammer aufgedeckt haben. Ihr erinnert Euch an Göllners Antrittsbesuch bei uns auf dem Mühlenberg? Damals versuchte er wohl noch, mit Eurem Gemahl einen Handel abzuschließen.«
Dora erschrak. Nur zu gut war ihr jener Morgen im März vor zwei Jahren, wenige Tage vor dem verheerenden Brand im Kneiphof, noch im Gedächtnis. In der vorangegangenen Nacht hatte sie jenen schicksalhaften Schafgarbentraum gehabt. Nie durfte die Base davon erfahren! Zu deutlich erinnerte sie sich ihres gehässigen Vorwurfs bei der Abreise nach Krakau. Sie schluckte, knetete die Finger, um nicht allzu offensichtlich an den rettenden Beutel mit der Ölphiole zu fassen.
»Doch Ihr wisst, wie Urban war. Stets rechtschaffen, hat er es entrüstet abgelehnt, auf Göllners Versuche einzugehen, sich gemeinsam an der herzoglichen Schatztruhe gütlich zu tun«, fuhr Mathilda fort. »Selbst als er den Verdacht hegte, dass Göllner seinen Schreiber Hubart für seine Ränkespiele gegen ihn gewonnen hatte, blieb er stur bei seiner ablehnenden Haltung. Seither hat Göllner alles darangesetzt, Urban in den Augen des Herzogs herabzusetzen, was letztlich darin gipfelte, dass Albrecht ihm statt eines wohlgepflegten das völlig morastige Grundstück am Ende der Junkergasse kurz vor Beginn des herzoglichen Schlossgartens zuteilte. Zwar hat Göllner damit sicher nicht Urbans Tod beabsichtigt, ihn aber gewiss mehr als begrüßt, insbesondere, als auch noch Veit Singeknecht dank Meister Miehlkes Anschuldigungen als der vermeintlich Verantwortliche aus der Stadt geflohen ist. Singeknechts Vater hat Urban vor zwanzig Jahren in Nürnberg geholfen, Göllner den Betrug nachzuweisen und ihn damit aus dem herzoglichen Dienst zu jagen. Somit hatte Göllner also zwei Fliegen auf einen Schlag erledigt, wenn auch im Falle der Singeknechts ungerechterweise der Junge für das Verhalten des Alten büßen musste.«
»Ihr erzählt mir nichts Neues«, stellte Dora nach einer kurzen Pause klar. »Dasselbe dachte ich, nachdem ich Urbans ersten Teil der Aufzeichnungen gelesen hatte. Deshalb beschloss ich, nach Krakau zu reisen und mit dem alten Veit Singeknecht zu sprechen. Er sollte mir in allen Einzelheiten von den Vorfällen in Nürnberg berichten und eine schriftliche Erklärung für den Herzog abfassen, die endlich Licht auf die dunkle Geschichte wirft und Göllners hinterhältige Niedertracht beweist. Er hat meinen Gemahl aufs schändlichste in Verruf gebracht. Das wollte ich ein für alle Mal klarstellen.«
»Und natürlich auch die Unschuld des jungen Singeknechts am Unglück auf der Baustelle beweisen.« Eindringlich sah Mathilda sie an.
Dora spürte die Röte auf ihren Wangen, zwang sich aber, dem Blick standzuhalten. »Ja, auch das«, stimmte sie zu, hielt abermals inne, bevor sie zögernd nachsetzte: »Es gibt da noch etwas, was ich in dem Zusammenhang gern von dem alten Singeknecht über Urban erfahren hätte.«
»Ich kann es mir denken.« Tröstend legte Mathilda ihr den Arm um die Schultern und drückte sie zärtlich. Wieder wunderte sich Dora über die unverhoffte Zuneigung. »Ihr wollt wissen, wer jene große Liebe Eures verstorbenen Gemahls gewesen ist, an der sich Göllner damals schadlos gehalten hat.«
»Woher wisst Ihr …«
»Aber Dora, Liebes!« Sie rückte zwar etwas von ihr ab, aber nur, um ihr mit der gepflegten schlanken Hand zärtlich über die Wange zu streichen. »Lasst es mich Euch erzählen«, begann sie, ließ die Hand wieder sinken und schaute mit verklärtem Blick in die Weite des sonnigen Augusthimmels empor. Träge weiße Wolkenschiffe schoben sich dort oben entlang. Ein Adler zog stolz seine Kreise, hielt die kleineren Vögel in niedrigeren Gefilden auf ehrfürchtigem Abstand. »Ich war gerade erst zwölf oder dreizehn, als mein gutaussehender junger Vetter des Öfteren im Haus meiner Eltern zu Gast war. Was hätte ich damals darum gegeben, erwachsen zu sein. Kaum einmal richtete mein Vetter das Wort an mich, und wenn, dann nur in jenem herablassend wohlwollenden Ton, den Erwachsene kleinen
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