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Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Titel: Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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bei der Begegnung im Kerker von ihr gehalten haben? »Wie schön, Euch gesund wiederzusehen.« Unverhofft stürzte Mathilda auf sie zu, umarmte sie aufs innigste.
    Ob des befremdlichen Gefühlsausbruchs versteifte sich Doras Leib. Zum ersten Mal wurde sie gewahr, wie betörend gut Mathilda roch. Ihrem verstorbenen Gemahl Urban ähnlich umfing sie der Duft einer blühenden Veilchenwiese. Die Bänder ihrer Haube streiften Doras Wangen, ebenso spürte sie das Weiche des Damasts, aus dem ihr schwarzer Goller gefertigt war. Bei jeder Bewegung raschelte der Stoff. Dora wusste nicht, was sie von Mathildas ungewohntem Gebaren halten sollte, hatte sich die Base ihr gegenüber bislang nie zu mehr als den absolut notwendigen Höflichkeitsformen durchgerungen. Ausgerechnet jetzt, da sie dem Schafott näher war als der Rückkehr nach Königsberg, musste sich die Base zärtlich zu ihr hingezogen fühlen.
    »Wie geht es Euch? Bringt man Euch ausreichend zu essen? Habt Ihr alles, was Ihr benötigt?« Endlich ließ Mathilda von ihr ab, trat einen Schritt beiseite und betrachtete erst sie, dann die Umgebung genauer. Beim Anblick des Wachmannes, der sich keine zwei Schritte von ihnen entfernt breitbeinig postiert hatte, runzelte sie missbilligend die Stirn. Am liebsten hätte Dora laut aufgelacht. Was hätte sie erst zu den finster ausschauenden Bütteln im Krakauer Rathaus gesagt?
    »Hier oben geht es mir blendend«, erwiderte sie rasch. »Wären da nicht die Wachen, könnte ich glatt vergessen, eine Gefangene zu sein. Sogar mein Notizbuch und mein Schreibzeug hat man mir gebracht.«
    »Das habt Ihr alles Jan Gottlieb zu verdanken.« Mathilda strahlte über das ganze Gesicht. Dora horchte auf. »Er hat das Wunder vollbracht, dass man Euch statt im Stadtgefängnis hier oben auf dem Wawel einsperrt. Ebenso war es ihm wichtig, Euch sowohl saubere Kleidung wie auch weitere Annehmlichkeiten zu ermöglichen. Deshalb hat er Euer Gepäck holen lassen. Trotz aller Vorwürfe seid Ihr nach wie vor die Witwe des ehrwürdigen Kammerrats Urban Stöckel, eines Weggefährten des königlichen Neffen.«
    »Wieso soll Jan Gottlieb dafür gesorgt haben, mich hierher auf den Wawel zu verbringen? Der Kaufmann Feliks Baranami war es doch, der …«
    »Gebt bitte nichts auf das Geschwätz dieser elenden Kaufleute!« Verächtlich schnaubte die Base. »Kläglich im Stich gelassen haben uns die Herren. Angefangen bei unserem Freund Steinhaus aus dem Königsberger Kneiphof bis zu seinen treuen Freunden aus Krakau haben sie alle feige das Weite gesucht, sobald Euch der Gerichtsvogt und seine Schergen in den Kerker geworfen haben. Nicht einmal, als mich die Wirtin aus der Floriansgasse aus ihrem sauberen Wirtshaus gejagt hat, haben die Herren das Maul aufgemacht.«
    »Ihr wurdet meinetwegen aus dem Wirtshaus geworfen? Das tut mir sehr leid. Wo wohnt Ihr jetzt?« Gegen ihren Willen keimte in Dora Bewunderung für die Base auf. Nie hätte sie erwartet, dass sie ihretwegen derartige Unbill so gelassen auf sich nahm.
    »Jan Gottlieb war so freundlich, mir in seinem Haus eine Unterkunft anzubieten«, erwiderte Mathilda. »Habt Ihr ihn einmal persönlich kennengelernt? Ein überaus kluger, weitsichtiger und sehr belesener Mann. Er hat Urban gekannt, ebenso den alten Singeknecht und auch den unsäglichen …«
    »Ich kann es mir denken«, unterbrach Dora sie. Der Name des Hausvogts musste in ihrer Gegenwart nicht öfter als unbedingt notwendig fallen. »Ich danke Euch von Herzen, dass Ihr Eure Abneigung überwunden und meinetwegen einen Fuß ins Judenviertel gesetzt habt. Pfarrer Tönnies hat mir letztens schon von Eurem Bittgang erzählt. Ich weiß gar nicht, wie ich Euch das je vergelten …«
    »Das ist doch selbstverständlich. Das bin ich Euch und Eurem Vater einfach schuldig.« Schmunzelnd winkte Mathilda ab. Ihr Blick schweifte hinüber zu den in der Mittagssonne glänzenden Kuppeln der Kapellen, die der Südostseite der Kathedrale vorgelagert waren. Dora betrachtete sie verstohlen. Die Erwähnung ihres Vaters wunderte sie, wie überhaupt das Auftreten der Base auf einmal schwer mit dem in Einklang zu bringen war, was sie bislang von ihr kannte. Lag es an der eigenen Verwahrlosung, oder besaß das Antlitz der Base auf einmal tatsächlich eine wahrhaft berückende Schönheit? Entweder war sie blind oder viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen, dass ihr die bislang völlig entgangen war. Fasziniert musterte sie die Frau, die sich bereits in der Mitte

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