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Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Titel: Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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Erwachsenen, darunter ein verfressener alter Großvater und ein kräftiger Bauersmann wie mein Vater, kommt in der Grube einiges an Scheiße zusammen, von all dem anderen Mist gar nicht erst zu reden. In einer ärmlichen Lischke wie der unsrigen hat jeder so ein Loch hinterm Haus. Da müssen wir Mädchen kräftig anpacken.«
    So unangemessen Elßlins Worte waren, so sehr genoss Dora ihr unbekümmertes Erzählen. Es lenkte sie für eine Weile von ihren Grübeleien ab, ließ gar die unglückselige Erinnerung an Veit Singeknecht in den Hintergrund treten. Lediglich der Schmerz über Urbans Verschwinden aus dem Schlafgemach blieb. Seit jenem unbefriedigenden Ende ihres Beilagers vor zwei Tagen nächtigte er in seinem Studierzimmer im zweiten Geschoss, suchte nur bei der gemeinsamen Vesper am Abend ihre Gesellschaft, sprach dabei lediglich das Notwendigste mit ihr. Für Mathilda war die merkwürdige Stimmung zwischen den Eheleuten ein gefundenes Fressen, wie ihre spitzen Bemerkungen bewiesen. Einzig Elßlin schien von dem Geschehen unberührt.
    An den Ständen und Fischbänken herrschte reges Getümmel. Bald gingen Dora und Elßlin mehr hintereinander denn nebeneinander. Trotz des lutherischen Bekenntnisses hielten die Königsberger in den Wochen vor Ostern gern am Fisch auf dem Speisezettel fest. Dem beißenden Gestank zum Trotz scharten sich Hausfrauen und Mägde um die Fischbänke. Eine jede gierte danach, die besten Stücke zu ergattern. Der Platz am Ufer des Neuen Pregels war viel zu beschränkt, um dem gewaltigen Andrang Herr zu werden. Vor den doppelreihig aufgebauten Ständen beidseits der Schmiedebrücke wurde in vielen Sprachen gefeilscht und gestritten. Litauische wie polnische, deutsche und sogar holländische Händler buhlten um die Gunst der Käuferinnen. Nur unter großen Mühen gelang es Dora und Elßlin, sich bis zu den offenen Fässern der Fischhändler vorzukämpfen.
    »Leider hat es beim Abtrittsäubern immer mich getroffen«, plapperte Elßlin treuherzig weiter, während Dora sich auf die Zehenspitzen reckte, um über die Schultern zweier schwatzender Frauen auf die Auslagen eines samländischen Händlers zu spähen. »Das ist wohl das Schicksal der Jüngsten, noch dazu, wenn es das einzige Mädchen im Haus ist. Meine vier Brüder sind älter und gerissener als ich. Die haben lange vor mir gewusst, wie man der lästigen Aufgabe entgeht, Pisse und Scheiße eimerweise zum Misthaufen zu schleppen.«
    »Was?« Empört drehten sich die Frauen vor ihnen um und erkannten Dora.
    »Aber liebe Stöckelin«, ergriff die Ältere der beiden das Wort und blinzelte sie betont auffällig an, was, wie Dora wusste, ein versteckter Hinweis auf ihre unterschiedlich gefärbten Augen war. »Wie redet Eure Magd? Wenn das Euer Gemahl erfährt, wird er außer sich sein.«
    »Oh, verzeiht.« Erschrocken hielt Elßlin inne, die Wangen glutrot angelaufen. »D-D-D-Das w-w-w-w-wollte ich n-n-n-nicht. M-M-M-Mir s-s-s-s-s-sind d-d-d-d-da wohl wieder die Zügel durchgegangen. So darf ich nicht reden.«
    »Schon gut.« Dora tätschelte ihr die Schulter, bevor sie die Frauen süß anlächelte. »Habt bitte Verständnis, meine liebe Papin, liebe Lohmännin. Wie soll ein Kind vom Land es binnen weniger Wochen lernen, uns Königsbergern geschliffen nach dem Mund zu reden?« Leicht verneigte sie sich vor ihnen und schob Elßlin weiter.
    »Aber das ist doch …« »Was soll das …« Die beiden Frauen schnappten nach Luft. Dora freute sich. Urban würde ihre schlagfertige Antwort gutheißen, ärgerte er sich doch jeden Tag über das scheinheilige Getue der Bürgerschaft in den drei Pregelstädten, die nach außen gern vornehm tat und insgeheim doch wie alle anderen verbotenerweise den Nachttopf auf die Gassen leerte.
    »Da werden die zwei sich wohl noch ein bisschen ärgern«, erklärte sie der jungen Magd. »Mir gegenüber kannst du ruhig weiter reden, wie dir der Schnabel gewachsen ist. Ich bin auch unter zwei Brüdern aufgewachsen und kann mir gut vorstellen, wie es bei dir zu Hause zugegangen ist.«
    Sie hakte sich bei Elßlin unter. Fast war ihr zum Singen zumute, derart hatte sie der kleine Zwischenfall aufgeheitert. Sie reckte die Nase in die Luft, genoss die warme Märzsonne. Viel zu selten kam sie in letzter Zeit aus dem Haus. Gerade als sie die Augen schließen und sich ganz dem Genuss hingeben wollte, zupfte Elßlin sie am Ärmel.
    »Da, seht nur!« Aufgeregt wies sie mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf eine Fischbank links

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