Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)
sollt Ihr niemals darben. Bis zum Eintreffen der ersten frischen Gerichte kann ich Euch jederzeit noch mit einigen unerwarteten Köstlichkeiten aufwarten. Das ist eben die hohe Kunst der Haushaltsführung.«
In einer atemberaubend anmutigen Bewegung richtete sie sich wieder auf und zwinkerte Dora zu. Dora hielt den Atem an. Zwar war es nicht das erste Mal, dass Mathilda sie in Urbans Gegenwart spüren ließ, wer nach wie vor die eigentliche Herrin am Mühlenberg war, dennoch brachte es sie an die Grenzen ihrer Langmut, den unwürdigen Auftritt zu ertragen. Sie äugte zu ihrem Gemahl, dem Mathildas Wettstreit offenbar völlig verborgen blieb. Er setzte sich. Seine Augen huschten gierig über den Tisch, er schnupperte den Duft der Speisen und wandte sich von neuem der Suppe zu.
»Greift zu, mein Augenstern«, forderte er Dora auf. »Allein zu essen bereitet mir kein Vergnügen. Auch Ihr, meine liebe Base, solltet Euch zu uns setzen.«
»Nein, nein«, wehrte Mathilda ab. »Am ersten Abend nach Eurer Rückkehr sollt Ihr allein mit Eurer Gemahlin speisen. Wenn Ihr erlaubt, sehe ich bei Elßlin nach dem Rechten. Die Kleine ist sehr ungeschickt. Es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis sie ihre bäuerliche Herkunft überwunden hat.«
Sie wartete Urbans Zustimmung gar nicht erst ab, sondern verließ auf leisen Sohlen die Wohnstube. Als sich die Tür hinter ihr schloss, atmete Dora auf.
»Eine bewundernswerte Frau«, verkündete Urban. »Bis heute ist es mir ein Rätsel, warum sie darauf verzichtet hat, einen eigenen Hausstand zu gründen. Anträge sind ihr viele unterbreitet worden, ausgeschlagen aber hat sie selbst die vielversprechendsten Angebote. Und das alles nur, weil sie sich ihrem Versprechen, mir den Haushalt zu führen, verpflichtet fühlt.« Es war Dora, als verklärte sich der Blick seiner blassblauen Augen. Sie räusperte sich. Wie aus einem Traum erwachte er, sah sie einen Moment entrückt an, bis er begriff. Er streckte die Hand nach der ihren aus, drückte sie. »Entschuldigt vielmals. Die lange Reise hat mir wohl zu arg zugesetzt. Doch jetzt bin ich wieder bei Euch und genieße das Zusammensein mit Euch in vollen Zügen.«
»Die Freude ist ganz meinerseits«, erwiderte sie. Der Anblick seiner Hand verwunderte sie. Wie gebannt hing ihr Blick darauf. Plötzlich verwandelte sie sich, war nicht mehr weiß und massig, sondern vom Wetter gegerbt und sehnig. Ein Schaudern erfasste sie, als sie sich vorstellte, was diese Hand zu packen und zu formen vermochte. Gerade malte sie sich aus, wie es sich anfühlte, von ihr berührt oder gar liebkost zu werden, da zerstob der Zauber so schnell, wie er aufgetaucht war. Vor ihr auf dem Tischtuch blieb Urbans gepflegte helle Schreibstubenhand mit den dicken blauen Adern zurück, die kaum jemals mehr als eine Feder oder ein paar Bogen Papier zu tragen hatte, geschweige denn mehr als einen flüchtigen Strahl Sonnenlicht zu sehen bekam.
»Erzählt mir mehr von der Frau Eures Bruders.« Urban bemerkte ihre Wirren nicht. Nachdem er Fleisch und Gemüse verzehrt hatte, schnitt er ein großes Stück vom Käse ab, spießte dazu eine Dörrpflaume auf die Gabel und schob sich beides zugleich in den Mund. Dora verfolgte jede einzelne seiner Bewegungen. Fürchtete oder hoffte sie, dass sich Veits Antlitz ein weiteres Mal vor ihre Augen schob? »Schade, dass Euer Vater uns nicht eher von der Hochzeit erzählt hat. Jörg wird ihm natürlich davon geschrieben haben. Auch wenn ich den alten Wurfbein gut kenne, ist mir seine Nichte leider völlig unbekannt. Wenn Ihr wollt, ziehe ich weitere Erkundigungen über ihre Eltern ein. Dora? Was ist mit Euch?«
Er beugte sich vor, sah sie eindringlich an. Seine Augen erschienen ihr noch wässriger als sonst. Allein das Drängende seines Blicks verlieh ihnen Lebendigkeit. Das aber genau war es, was Dora in diesem Moment berührte. Sie fasste nach seiner Hand. Das Kaltfeuchte von vorhin war verschwunden, sie fühlten sich wunderbar weich und warm an. Erfreut über ihre Geste, verschränkte er seine Finger mit den ihren, hielt sie fest. Eine ungeahnte Kraft strahlte plötzlich von ihm aus. Gern ließ sie sich davon forttragen.
»Besser, wir reden morgen über Jörgs Gemahlin und ihre Familie«, sagte er. »Die ersten Stunden des Wiedersehens sollten uns beiden ganz allein gehören.«
Sie nickte. Er hob ihre Hand zum Mund, hauchte einen Kuss darauf. Sacht glitt er mit den Lippen über die Haut, verharrte in einem zärtlichen Kuss an der
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