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Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Titel: Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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kam ihr ein Gedanke. »Lass uns noch beim Käskramer Töppen einkaufen«, schlug sie Elßlin vor und steuerte bereits eine der Buden mitten auf der Brücke an. Dort erstand sie Käse, Butter und Schmalz, um wie zufällig zu einer weiteren Bude am Kneiphofer Ende der Brücke zu schlendern, wo sie einen Beutel Mandeln sowie ein kleines Fass Honig erwarb. Elßlin stöhnte leise. Keine dieser Besorgungen hatte Mathilda ihnen aufgetragen. Dora kümmerte das wenig, sie hatte anderes im Sinn. Von den Krämerbuden war es nicht weit bis zum Anwesen von Kaufmann Tschakert gleich neben dem Badehaus in der Kneiphofer Langgasse. Die Gelegenheit schien günstig, es sich einmal aus der Nähe anzusehen.
    »Was wollt Ihr hier?« Ratlos schaute Elßlin zwischen ihr und dem Haus hin und her, warf auch einen verwunderten Blick zum benachbarten Badehaus.
    »Ich muss mir etwas ansehen.« Dora war bereits tief in Gedanken zu Tschakerts Haus versunken. »Geh nach Hause und bring die Fischblase mit den übrigen Resten des Störs in die kleine Küche neben meiner Werkstatt. Dort werde ich sie am Nachmittag erhitzen.«
    Ungeduldig wartete sie, bis das Mädchen fort war. Dabei behielt sie Tschakerts Anwesen genau im Blick und postierte sich auf der gegenüberliegenden Seite der Langgasse. Jörgs beiläufige Bemerkung letztens, der in den vergangenen Jahren zu Reichtum gelangte Kaufmann plane einen Umbau, für den sich Vater Wenzel als Baumeister empfehlen wollte, hatte sie neugierig gemacht. Noch war von außen nichts von dem Vorhaben zu erkennen, allerdings verriet die im Vergleich zu den umliegenden Gebäuden recht schlichte Fassade, wie lange schon nichts mehr an dem Haus verschönert worden war. Auch ein mehrgeschossiger Giebel wie bei den Nachbarn fehlte. Der würde weiteren Wohn- und Lagerraum schaffen. Mit gekonntem Blick maß Dora, was sich an zusätzlichem Platz durch Aufstockung der Grundmauern sowie Ausweitung des Beischlags in die Gasse hinein gewinnen ließ. Ebenso schätzte sie ab, welcher Zierat an Fensterbögen und Stufengiebel möglich war, ohne dass Tschakerts Haus zu sehr aus der Reihe der anderen Gebäude herausstach. Ein ähnliches Bauvorhaben aus den Aufzeichnungen ihres Ahns kam ihr in den Sinn. Sehr genau hatte er seinerzeit festgehalten, welche Materialien er dabei verwendet hatte und wie teuer das Ganze geworden war. Leicht konnte sie daraus einen neuen Entwurf anfertigen, den Jörg dem Vater als den seinen vorlegen konnte. Dieses Mal würde das besser gelingen als bei dem Bauauftrag für Gerichtsrat Jonas vor zwei Jahren. Jörg blieb vor Ort und konnte somit genau darauf achten, dass Wenzel das Vorhaben den Plänen gemäß ausführen ließ.
    »Dora, welch Überraschung!« Sie zuckte zusammen. Kaum dachte sie an Jörg, da hörte sie schon seine Stimme. Verwundert schaute sie zum Hauseingang. Tatsächlich trat da gerade ihr Bruder von dem bislang noch recht schmalen Beischlag herunter. Freudig winkte er mit seinem Barett zu ihr herüber. Das Lächeln erstarb auf ihrem Gesicht, sobald sie erkannte, wer hinter ihm die Treppe herabstieg – Veit Singeknecht. Die Knie wurden ihr weich. Nach allem, was er in ihr aufgewühlt hatte, konnte sie ihm unmöglich gegenübertreten. Sofort würde er merken, wie es um sie bestellt war. Zum Weglaufen war es allerdings zu spät. Längst war auch ihr Vater in der Tür aufgetaucht, verabschiedete sich herzlich von Kaufmann Tschakert und folgte Jörg und seinem Freund über die Straße. Erstarrt sah sie ihnen entgegen.
    »Du bist ganz allein unterwegs? Weiß dein Gatte von deinem Ausflug?« Der Vater verhehlte nicht, wie sehr es ihm missfiel, sie um diese Zeit allein in der Langgasse anzutreffen. Gleich erfasste sein strenger Blick das Fehlen eines Einkaufskorbes und damit das Fehlen jeglichen für ihn nachvollziehbaren Grundes, der ihr Auftauchen an diesem Ort zu dieser Tageszeit rechtfertigte. »Was führt dich ausgerechnet zum Haus von Tschakert?« Seine Stimme klang vorwurfsvoll. Das wenige weiße Haar stand unter dem Rand seines Baretts wirr nach allen Seiten ab, das ebenso weiße Barthaar zitterte. Der Pelzkragen seiner Schaube wirkte struppig, das schwarze Tuch speckig. Beinkleider und Schuhe strotzten vor Schmutz. Renata wurde der vielen Aufgaben im Haus einfach nicht Herr. Ein Anflug von Mitleid überfiel Dora.
    »Es ist mir eine Freude, Euch wiederzusehen«, drängte sich Veit Singeknecht nach vorn. Ehrerbietig nahm er das Barett vom Kopf und verneigte sich tief. Dora erblasste.

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