Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Titel: Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
Vom Netzwerk:
dabei gegen das Buch, das dort aufgeschlagen lag, und versuchte einen Blick auf die Seiten zu erhaschen. Es handelte sich um die Chronik, an der der Vetter seit Jahren schrieb, wie sie an den ersten Sätzen erkannte. Allzu gern wüsste sie, was er für wert erachtete, der Nachwelt zu überliefern. Ob ihr eine kleine Rolle darin zukam? Sie reckte sich weiter nach vorn, wollte mehr lesen. Vergeblich. Urban schlug das Buch zu, starrte gedankenverloren vor sich hin, spielte mit der Feder in seinen Händen. »Riecht Ihr das denn gar nicht?«
    »Was?« Langsam drehte er den Kopf zu ihr. Der Blick seiner hellblauen Augen wirkte entrückt, sein kantiges Antlitz erschlafft. Alles Strenge, Kammerherrliche, was es sonst so markant zeichnete, war daraus verschwunden. Das Grübeln über seine Chronik musste ihn völlig erschöpft haben.
    »Diesen üblen Gestank«, setzte sie nach und schaute ihn weiterhin aufmerksam an. Zugleich bemühte sie sich, so unbeschwert wie möglich zu klingen. »Meidet Ihr deshalb Eure Studierstube? Oben im zweiten Geschoss muss es am schlimmsten sein, kocht Eure Gemahlin doch ihre Fischabfälle in der Küche direkt neben Eurer Kammer. Soll ich sie bitten, mit ihrem seltsamen Gebräu zu warten, bis Ihr wieder im Schloss seid? Sie kann es auch gut an einem anderen Tag aufkochen. Die Fischabfälle sind ohnehin schon verdorben, da können sie gut und gern noch ein paar Tage länger liegen. Denkt Euch nur, sie ist sich nicht zu fein, unten am Fischmarkt ausdrücklich selbst um die Reste der Händler zu bitten. Was sollen die Leute nur denken, wenn sie hören, dass die Frau des ehrwürdigen herzoglichen Kammerrats …«
    »Genug!« Urbans Faust sauste auf den Tisch. Erschrocken fuhr sie zusammen. »Die Arbeit meiner Gemahlin kann und darf niemals warten. Ebenso ist überhaupt nichts dabei, wenn sie sich die Zutaten für ihre Fischleimpausen eigenhändig auf dem Markt besorgt. Sie weiß am besten, was sie für ihre Arbeit benötigt. Keinen Deut kümmert es mich, wie sich die Königsberger darüber ihr schändliches Maul zerreißen. Dora besitzt eine besondere Gabe. Allein darauf kommt es an.«
    Verächtlich warf er die Feder in die Schale und erhob sich von seinem Platz. Die schneeweißen, schlanken Hände hinter dem Rücken verschränkt, begann er vor der Fensterfront auf und ab zu gehen. Seine Lippen bildeten einen geraden Strich, in den Mundwinkeln zeichneten sich tiefe Furchen ab. Wieder blickte er starr ins Nichts. Anscheinend beschäftigte ihn immer noch das eben in der Chronik Beschriebene. Es musste etwas sehr Aufwühlendes sein.
    »Verzeiht«, hob Mathilda abermals an, »ich dachte nur, der aufdringliche Geruch hindere Euch daran, oben in Ruhe …«
    »Schon gut.« Jäh blieb er stehen. Es gelang ihm sogar eine Andeutung von einem Lächeln, als er sie ansah. »Ihr könnt nicht wissen, was meine Gemahlin dort oben tut. Für Außenstehende mag es etwas befremdlich erscheinen, doch es hat seinen Sinn, glaubt mir. Daraus wird Großes entstehen.«
    Das hörte sich an, als spräche er mit einer ungebildeten Magd. Sie musste an sich halten. War sie das nicht auch längst für ihn, seit er mit der jungen Selege verheiratet war? Sie ballte die Hände zu Fäusten, spitzte den Mund. Er stellte sich auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches hinter einen der Stühle, umfasste zunächst die aufwendig gedrechselte Rückenlehne, bevor er mit den Fingerkuppen beinahe zärtlich die einzelnen Verzierungen nachstrich.
    »Heute gehe ich übrigens nicht mehr ins Schloss zurück«, erklärte er beiläufig. »Ich erwarte noch Besuch.«
    »Doch nicht etwa Hausvogt Göllner? Wollt Ihr wieder mit ihm ein vertrauliches Gespräch führen, so wie Anfang letzter Woche hier in der Wohnstube?« Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, bereute sie ihr Vorpreschen. Urbans Miene verfinsterte sich, ungeduldig trommelte er mit den Fingern auf die Kante der Stuhllehne. Dennoch musste sie weiterreden: »Wisst Ihr eigentlich, dass sich Göllner während Eurer Abwesenheit mit Eurem Schreiber Hubart in der Stadt getroffen hat? Vor einigen Tagen, als Ihr in Labiau wart, habe ich die beiden in der Nähe der Schlosstreppe gesehen. Es hatte den Anschein, als würden sie bei ihrem Treffen ungern beobachtet werden. Sie müssen sehr Vertrauliches miteinander …«
    »Davon weiß ich längst!« Brüsk unterbrach er sie. »Denkt Euch nichts dabei. Das geschah natürlich auf meine eigene Anweisung. In meinem Auftrag soll Hubart einige

Weitere Kostenlose Bücher