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Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Titel: Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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wenige Bekannte auf der Junkergasse unterwegs. Die Hofbediensteten gingen allesamt auf dem Schloss ihrer Arbeit nach, Druckermeister Weinrich wie auch Buchbinder Angler hatten in ihren Buden an der Schlosstreppe zu tun, und den Mägden und Frauen oblag die übliche Arbeit in den Haushalten. Gelegentlich öffnete sich ein Fenster, und jemand schüttelte ein Laken heraus, an einem anderen Haus putzte eine Magd die Fenster, zwei kleine Mädchen eilten mit Körben voller Blumenschmuck vorbei. Kurz vor Ende der Gasse, wo die Bebauung sich lichtete und mehr und mehr freie Flächen in Sicht kamen, fegte ein Greis das Straßenpflaster. Lange schon war der Regen ausgeblieben. Umso mehr Staub bedeckte die Steine. Jenseits des Pflasters aber zogen sich immer noch einige Lachen mit Regenwasser über die grasüberwucherten freien Grundstücke. Das wunderte Dora. Viel Aufmerksamkeit aber konnte sie dem nicht schenken. Bevor die Lage allzu verfänglich wurde, wollte sie Veit den Garten zeigen und dann wieder in den Mühlenberg zurückkehren.
    Gleich nach dem Tor zum umzäunten Schlossgarten endete das Straßenpflaster und lief in einen festgestampften Pfad aus, den Bruchsteine am Rand von den Wiesen abgrenzten. Je weiter Dora und Veit ins Innere des Gartens gelangten, je feuchter wurde der Pfad. Gelegentlich fanden sich an schattigen Stellen unter einem Strauch oder Baum sogar noch richtige Pfützen. Auf den immer wieder von kleinen Bächen und Tümpeln durchbrochenen Wiesen schälten sich die ersten Sumpfdotterblumen heraus. An den Birken sprang das zarte Frühlingsgrün der ersten Blätter auf, das im vorwitzigen Licht der Märzsonne ein ganz besonderer Genuss für das vom langen Winter farbentwöhnte Auge war. Knechte von Gärtnermeister Hansen nutzten die milde Witterung, um Obstbäume zu beschneiden, Blumenbeete anzulegen und die Wege vom letzten Winterdreck zu befreien. Einige waren damit beschäftigt, unweit des Wegs einen der alten Karpfenteiche auszuheben und trockenzulegen. So gewannen sie Platz für ein weiteres Blumenbeet.
    »Das Gelände ist reichlich sumpfig.« Zur Bestätigung hob Veit seinen rechten Fuß. Die Schuhsohle war schlammverschmiert.
    »Die Kreuzherren haben hier früher ihre Fischzucht gehabt, der Herzog aber will davon nichts mehr wissen, wie Ihr seht.« Dora wies auf die Aushubarbeiten. »Lasst uns zu der Linde gehen. Von dort aus hat man einen guten Überblick über das gesamte Gelände.«
    Sie raffte ihren Rock und eilte voran. Die weit ausladende Linde bildete nicht allein ihres gigantischen Ausmaßes in Höhe und Breite wegen den unbestreitbaren Mittelpunkt des Gartens. Der Umfang ihres Stamms betrug mehr als ein Dutzend Ellen, ihre Krone ragte höher als ein Kirchturm in den Himmel hinauf. Über ihr Alter kursierten die verschiedensten Erzählungen. Sicher war allein, dass sie schon zur Zeit der Deutschordensleute das auf fünf Geschosse angelegte Holzgerüst erhalten hatte, dessen sich nach oben verjüngende Plattformen beste Gelegenheit zur Aussicht über Garten, Schloss und Stadt boten.
    Außer Atem erreichte Dora die Treppe, Veit folgte ihr dicht auf den Fersen. Flugs stieg sie die Stufen hinauf. Erst als sie die erste Ebene erreichte und ihn ein Stück von der Treppe wegführte, um ihm den Blick nach Osten zu zeigen, wurde sie gewahr, in welch heikle Lage sie sich mit dem Vorschlag gebracht hatte. Auf dem hölzernen Gerüst waren sie allein, die Knechte des Gärtners weit entfernt und ganz in ihre schwere Arbeit vertieft. Wenigstens aber war das Laubwerk noch nicht dicht geschlossen, so dass die verschwiegenen Plätze, für die die Linde bei Liebenden berühmt war, erst spärlich gesät waren. Dennoch klopfte Dora das Herz bis zum Hals. Was mochte Veit von ihr denken, nachdem sie ihn ausgerechnet an diesen einsamen Ort geführt hatte? Sie eilte weiter voran, tat, als suchte sie die beste Stelle für die Aussicht. So entging sie wenigstens der Verlegenheit, ihn direkt ansehen zu müssen.
    »Seht Ihr dort hinten? Das ist die Löbenichter Barbarakirche.« Sie wartete gar nicht erst ab, bis Veit neben ihr stand, sondern wies bereits mit ausgestreckter Hand nach Osten. »Von hier aus sieht man ganz gut, wie bunt gewürfelt die Häuser im Löbenicht stehen. Die Hanglage hat die kerzengerade Ausrichtung der Straßen unmöglich gemacht. Wenn Ihr nach Süden zum Kneiphof hinüberschaut, wird das umso deutlicher. Schnurgerade verlaufen dort Mauern und Zinnen.«
    »Auch gleich hier vorn in der Altstadt

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