Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)
hervorstechenden Knöchel genügte, um zu wissen, wie heftig er um seine Beherrschung rang. Veit indes focht das nicht an. Die gereizte Stimmung unter den Männern missfiel Dora. »Gewiss wird sich der Steinmetzmeister allem würdig erweisen. Ich selbst wollte ihn schließlich unbedingt dabeihaben. Von klein auf kennen wir uns und wissen also, was wir einander zutrauen. Das macht es für uns alle leichter.«
Mit ihren Vorschusslorbeeren erntete sie bei Miehlke lediglich ein verzerrtes, fast schon selbstgefälliges Grinsen, wohingegen Veit verständnislos den Kopf schüttelte. Allein Jörg strahlte sie aufmunternd an.
»Da hörst du es, mein Lieber«, wandte er sich an den Freund. »Dora hält dich für den Besten. Tu einfach so, als arbeitest du mit mir zusammen, dann wirst du es allen zeigen. Außerdem hat meine Schwester mit dem guten Veit eine erfahrene Hilfe zur Seite. Du musst also nicht unbedingt denken, den Anweisungen einer Frau zu gehorchen.«
»Auch wenn das vielleicht das Beste wäre«, konnte Veit sich nicht verkneifen, einzuwerfen.
»Für Euch vielleicht schon«, brummte Miehlke und verschränkte wieder die Arme vor der Brust.
»Du schaffst das«, ermunterte Jörg ihn und tippte grüßend an die Stirn, um sich aus der Runde zu verabschieden. Stumm sahen sie ihm nach, wie er Richtung Steindamm verschwand.
»Sein Wort in Gottes Ohr«, murmelte Miehlke.
Dora beschloss, das als Friedensangebot zu verstehen. Sie streckte die Hand flach zur Seite aus. Zu ihrer Erleichterung blieb sie trocken. »Der Regen hat aufgehört. Wenn wir uns beeilen, können wir das Schnurgerüst fertigstellen, bevor es von neuem anfängt.«
Sie sah nach oben, betrachtete die Wolken. In der Tat lichtete sich das Grau. Der Wind blies kräftig in die oberen Luftmassen. Rasch rissen sie auf, gaben an den ersten Stellen bereits eine Ahnung von Blau frei, gelegentlich blitzte der erste Sonnenstrahl durch. Behutsam zog Dora die aufgerollten Entwürfe unter ihrer Schaube hervor. Zum Glück waren sie von der Nässe unbeschädigt geblieben. Die Knicke, die das Festhalten verursacht hatte, waren rasch wieder glatt gestrichen.
»Legt sie dort hinten ab. Ich habe Euch einen Tisch bereitstellen lassen.« Veit wies auf eine Ecke des Grundstücks, an der ein Apfelbaum stand. Als einer der wenigen hatte er stehen bleiben dürfen, die übrigen Bäume waren in den letzten Tagen zur Vorbereitung des Aushubs gefällt worden. Ohnehin wollte Dora später weniger Obstbäume anpflanzen lassen, um den Garten ähnlich dem Schlosspark zu einem Ort der Erbauung zu gestalten. Unter dem verbliebenen knorrigen Apfelbaum war mit zwei Brettern und einigen aufgetürmten Steinen tatsächlich eine Art Tisch entstanden. Im Lauf des Frühlings würde sich darüber ein Blätterdach wölben, das den Tisch vor weiterem Regen wie auch vor zu viel Sonne schützen würde.
»Das war sehr vorausschauend von Euch«, bedankte sich Dora und folgte Veit. Kurz vor dem Ziel versperrte eine große Pfütze den Weg. In der weichen Erde geriet Dora ins Schlittern. Unwillkürlich streckte sie die Hand zur Seite. Veit fing sie auf. Bedächtig geleitete er sie an dem Hindernis vorbei zum Tisch. Ein laut vernehmliches Schnaufen in Doras Rücken verriet, dass Miehlke sie genau beobachtet hatte. Röte stieg ihr in die Wangen, und sie vermied, den Steinmetzmeister anzusehen. Veit tat, als wäre nichts geschehen.
Hastig wischte sie die Tischplatte mit den Zipfeln ihres Umhangs trocken, breitete vorsichtig die Pläne darauf aus und beschwerte die Ecken sorgfältig mit Steinen. Wieder kam ihr Veit zu Hilfe. Miehlke baute sich dagegen breitbeinig zu ihrer Rechten auf und linste neugierig auf die Zeichnungen. Langsam schlurfte Maurermeister Zahnke heran. Offenbar hatte er unter einem der Bäume auf dem noch unbebauten Nachbargrundstück Zuflucht vor dem Regen gesucht. Das aber hatte ihm wenig genutzt. Schwungvoll nahm er das durchweichte Barett vom Kopf, wrang es aus und strich sich das struppige, rotblonde Haar aus dem bärtigen Gesicht, bevor er sich die Kopfbedeckung wieder aufsetzte.
»Ich dachte schon, das wird heute nichts mehr«, erklärte er und grüßte knapp in die Runde. »Meine Leute kann ich rufen, sobald sicher ist, dass wir tatsächlich anfangen. Gleich sind sie hier. Müssen ja nicht alle im Regen stehen so wie wir.«
»Gut zu wissen.« Dora nickte ihm zu. »Jetzt fehlt nur noch Carl Necker. Hat jemand gesehen, wo der Zimmermann steckt?«
»Er wird schon noch auftauchen.
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