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Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Titel: Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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dass in der Enge kaum ein Unglück geschah.
    »Kann ich Euch helfen?« Ein junges Mädchen tauchte neben Gret auf und schaute sie freundlich an.
    »Ich will zur Bibliothek.« Gret erwiderte das Lächeln. Das Mädchen mochte etwa Elßlins Alter haben, trug wie die Magd ein einfaches Kleid und eine Schürze, hatte die braunen Haare zu Zöpfen geflochten und ein helles Kopftuch darüber gebunden. Seine Füße steckten in schlichten Bundschuhen. Sobald Gret ihr Ziel genannt hatte, zog es die Augenbrauen hoch. Gret meinte Spott auf seinem Antlitz aufblitzen zu sehen. Verärgert erklärte sie: »Dieses Buch will ich Polyphemus bringen. Er erwartet mich.«
    Das Erwähnen des Bibliothekars verfehlte seine Wirkung nicht. Sogleich änderte sich die Mimik des Mädchens. Sicherheitshalber schob Gret nach: »Die Nova Bibliotheca steht jedem offen. Herzog Albrecht will das Streben nach Weisheit und Bildung fördern, auch bei Frauen.«
    Entschlossen drehte sie sich um, ließ das Mädchen stehen und hielt auf den erstbesten Eingang des Ostflügels zu. Es sollte mit dem Teufel zugehen, wenn sie die Bibliothek nicht auch ohne die Hilfe einer Magd fand, die wahrscheinlich nicht einmal des Lesens kundig war.
    Wie schon bei ihrem ersten Besuch wunderte sie sich auch dieses Mal, wie schlicht der herzogliche Wohntrakt nach außen gehalten war. Für einen so hohen und mächtigen Herrn residierte Albrecht eher mönchisch-karg, was mit seiner Vergangenheit als Hochmeister des Deutschen Ordens zusammenhängen mochte. Andererseits war seine Familie nicht eben für übertriebene Bescheidenheit bekannt. Sein Vater, Markgraf Friedrich, hatte in seiner Heimatstadt Ansbach als sorgloser Verschwender gegolten, der sein kleines Fürstentum an den Rand des Ruins gewirtschaftet hatte, bis einer seiner Söhne ihn gewaltsam zum Abdanken gezwungen hatte. So emsig Albrecht seit bald zwanzig Jahren die vormalige Königsberger Ordensburg zu einem fürstlichen Sitz ausbauen ließ, so sehr achtete er deshalb darauf, zumindest nach außen hin nicht allzu prunksüchtig zu wirken. Gret erinnerte sich, wie Schwager Urban das an der abendlichen Tafel mehrfach hervorgehoben hatte.
    Schade, dass Oheim Wurfbein im fernen Nürnberg nichts von ihrem neuen Königsberger Leben mitbekam, durchzuckte es sie bei diesem Gedanken. Was würden er und insbesondere seine zweite Frau, Muhme Anna, Augen machen, könnten sie sehen, in welche Familie sie eingeheiratet hatte. Von wegen »der nichtsnutzige Kunstdiener aus Königsberg ist gut genug für eine vaterlose Göre wie dich!«. Ihr Schwager war hochrangiges Mitglied des Hofes und unterhielt sich des Abends mit ihrem Gemahl und ihrem Schwäher über wichtige Angelegenheiten des Herzogtums. Muhme Anna würde platzen vor Neid. Was würde sie erst sagen, sollte sie erfahren, dass Gret gerade zum herzoglichen Bibliothekar unterwegs war? So schnell als möglich wollte sie ihr einen Brief schreiben und darin wie selbstverständlich von ihrem neuen Umgang berichten. Beschwingt sprang sie die drei Stufen bis zum schlichten Eingang des Ostflügels hinauf. Ihr Herz raste, als sie den großen Klopfer gegen das Eichenholz fallen ließ. Niemand öffnete. Ohne nachzudenken, stieß sie die Tür auf.
    Im Innern empfing sie Stille. Die wurde umso erdrückender, sobald die Tür ins Schloss fiel und den Lärm von draußen versiegen ließ. Die kleine Diele war menschenleer. Ein Oberlicht über der Tür sorgte für etwas Helligkeit auf der steinernen Treppe, die, wie Gret erinnerte, in die oberen Geschosse des Herzogs führte. Rechts des Eingangs gingen drei schmale Türen von dem schwarz-weiß gefliesten Vorraum ab. Welche davon hatte der Bibliothekar letztens nur gewählt? Es wollte ihr beim besten Willen nicht mehr einfallen. Kurz zögerte sie, dann wählte sie die äußerste. Gleich dahinter lag eine Schreibstube. Ein halbes Dutzend Schreiber beugte sich über Pulte und kritzelte eifrig aufs Papier. Niemand von ihnen hob den Kopf, um Gret zu begrüßen. Allein das kratzende Geräusch ihrer Federn über dem Papier erfüllte den Raum.
    Gret räusperte sich. »Ich suche die herzogliche Bibliothek.«
    Es dauerte, bis sich einer der Männer in den schwarzen, unauffälligen Röcken endlich bequemte, den Kopf zu heben und sie verächtlich anzusehen. Kaum hatte er ein ungläubiges »Ihr?« zwischen den blutleeren Lippen herausgepresst, da folgten die anderen Schreiber seinem Beispiel und schauten sie ebenfalls mit abschätzigen Blicken an.
    Gret

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