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Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition)

Titel: Die Liebe der Baumeisterin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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Zufall.«
    Eine Bemerkung ihres Oheims kam Gret in den Sinn. Sie ähnle ihrer Mutter ganz aufs Haar, hatte er einmal gesagt. Sollte das etwa heißen, Schwager Urban habe seinerzeit ihre Mutter geliebt, hätte in Dora nur ein Abbild dieser einstigen Jugendliebe gesucht und wäre am Ende gar ihr verschollener …? Nein, den Satz konnte und wollte sie gar nicht erst zu Ende denken. Wild wirbelten ihr die Gedanken durch den Kopf. Ratlos wanderte ihr Blick durch den langen Saal. Die Nähfräulein standen weiterhin in ehrfurchtsvollem Abstand um die Herzogin und verfolgten die Unterhaltung schweigend, ebenso Polyphemus und seine Frau. Nur der Zwerg drückte sich endlich wieder beim Fenster herum und sah auf den Hof hinunter. Er schien der Einzige, den die Feststellungen der Herzogin nicht sonderlich berührten. Oder tat er nur so desinteressiert und lauschte heimlich umso neugieriger, was Dorothea so Ungeheuerliches über die auffällige Ähnlichkeit zwischen ihr und ihrer Schwägerin von sich gab? Auch Jörg hatte bereits einige Male etwas Ähnliches angedeutet. Bislang aber hatte Gret das mit einem Lächeln abgetan, schien es ihr doch eher das unbeholfene Geplauder eines Mannes, der zum ersten Mal in seinem Leben richtig verliebt war.
    Je länger die Worte der Herzogin jedoch in ihr nachhallten, umso mehr Gefallen fand sie daran. So vieles fügte sich damit zusammen. Urban war wenige Monate vor ihrer Geburt endgültig nach Königsberg gegangen, in ihrer Familie hatte nie einer ein Wort über ihren Vater verloren. Auch hatte ihre Mutter, die wenige Wochen nach ihrer Geburt gestorben war, nie einen anderen als den Namen ihrer leiblichen Familie getragen, hatte also niemals geheiratet. Der Oheim und seine erste Frau hatten Gret wie ihre eigene Tochter aufgezogen, sie selbst hatte die beiden lange für ihre Eltern gehalten. Erst der Tod der Muhme und die zweite Heirat des Oheims hatten ihr die Wahrheit über ihre Herkunft offenbart. Muhme Anna war sie vom ersten Tag an ein Dorn im Auge gewesen. Die griesgrämige Frau hatte nichts Wichtigeres zu tun gewusst, als sie Jörg auf dessen zaghaftes Werben hin sogleich als Gemahlin mit ins ferne Preußen zu schicken.
    »Mit Verlaub, Euer Hoheit, aber ich glaube, da lasst Ihr Euch von den zarten Minneversen und dem Glanz des bernsteingoldenen Haares auf einen gefährlichen Abweg führen«, meldete sich mitten in diese verwirrenden Gedanken hinein eine Gret nur zu vertraute Stimme zu Wort. Hinter einem Wandschirm trat Urbans Base Mathilda Huttenbeck hervor. Sie musste sich die ganze Zeit über dort verborgen gehalten haben, um das Gespräch unbemerkt zu belauschen. Langsam kam sie näher, verbeugte sich hastig in Richtung der Herzogin, um sich aufreizend dicht vor Gret hinzustellen und sie anzustarren. Um ihren Mund lag Bitterkeit. Der Zwerg gab seine unbeteiligte Haltung am Fenster sofort wieder auf und turnte sich mit einer abermaligen atemberaubenden Folge von Purzelbäumen und Überschlägen kühn in den Mittelpunkt des Geschehens. Verärgert stieß Mathilda ihn fort und fasste Gret am Arm, als wollte sie sie wegziehen.
    »Was tut Ihr eigentlich hier, liebe Mathilda Huttenbeck? Ich habe nicht nach Euch geschickt.« Dorothea hielt Gret an der anderen Seite fest.
    »Sie hilft mir in der Unterrichtung der Mädchen«, erwiderte Polyphemus’ Frau ungefragt, um von Mathilda sogleich brüsk beiseitegedrängt zu werden, was der Zwerg mit einem begeisterten Händeklatschen begrüßte.
    »Wie Ihr wisst, Hoheit, bin ich eine Base dritten Grades von Urban Stöckel und stamme ebenfalls aus Nürnberg. Von Kindesbeinen an sind wir miteinander vertraut. Nie im Leben hätte sich mein Vetter eine verträumte Liebe zu einer Gastwirtstochter erlaubt. Dazu war er stets zu sehr der hehren Sache verpflichtet. Über Jahrzehnte hinweg hat er einzig im Dienst für Euren Gemahl seinen Lebenszweck gesehen. Niemand kann das besser beurteilen als ich, die ihm seit mehr als einem Dutzend Jahren den Haushalt führt.«
    »Da seid Ihr in der Tat die Richtige, um über das Seelenleben unseres erlauchten Kammerrats Bescheid zu wissen«, entfuhr es Polyphemus mit einem zweideutigen Unterton, was ihm einen mahnenden Blick seiner Gemahlin eintrug. Der Zwerg aber klatschte begeistert weiter Beifall.
    »Kommt mit mir, mein gutes Kind«, erklärte die Herzogin, ohne Mathildas Einwand auch nur die geringste Beachtung zu schenken. »Wir sollten uns lieber völlig ungestört miteinander unterhalten. Ich brenne darauf, dass

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