Die Liebe des Kartographen: Roman
hätte aber auchganz bösâ ausgehen können!«, schrie er Xelia an. »Umbringen hättest du dich können. Dich, und Marlene noch dazu!«, kam es schon nicht mehr ganz so heftig.
Xelia erstarrte und hörte für einen Moment auf zu atmen. Der Hund machte groÃe Augen.
Die Tür des Bauernhauses öffnete sich knarrend, und Barbara und ihr Vater erschienen im Rahmen. Wie die Figuren eines Scherenschnitts blieben sie dort stehen, Barbara eine Hand zum Gruà erhoben, der Bauer einen Zuruf auf den Lippen.
Alles nahm Philip wahr, und doch verstärkte es nur das Gefühl von Unwirklichkeit, das ihn überfallen hatte. Warum hatte er Xelia angeschrien? Was hatte er zu ihr gesagt? Er wusste es schon nicht mehr. Philip biss die Zähne so fest aufeinander, dass er sie knirschen hörte. Verdammt, was war nur in ihn gefahren? Er fühlte Hyronimusâ Augen in seinem Rücken. Seine Kehle wurde eng. Gab es noch irgendetwas, das er richtig machte? Oder bestand sein Leben nur aus einer einzigen langen Kette von Fehlern? Hilflos schaute er auf Xelia hinab, eine stumme Bitte in den Augen.
Doch sie schüttelte nur den Kopf. Wortlos löste sie sich aus seinen Armen und ging in die Scheune.
Dreh dich um, dreh dich noch mal um, flehte er stumm.
Verständnislos schaute Marlene von einem zum andern. Dann raffte sie ihren Rock zusammen und ging quer durch den Hof auf Philip zu. »Das warâs. Ich bin euch nichts mehr schuldig. Packt eure Sachen und verschwindet von hier. Ich will nicht noch nachträglich Arger bekommen.« Ihr Blick war voller Zurückhaltung, als wären sie sich eben erst begegnet. »Wenn jemand vom Spital hier vorbeikommt und nach dem Arzt sucht, will ich mit ruhigem Gewissen sagen können, dass er nicht hier ist. Habt ihr verstanden?« Obwohl sie sich mühte, selbstbewusst zu klingen, war die Unruhe in ihrer Stimme nicht zu überhören.
Philip stand immer noch wie gelähmt da und starrte aufdas dunkle Maul der Scheune, welches Xelia verschluckt hatte.
Hyronimus nickte Marlene besänftigend zu, flüsterte ein paar Worte mit ihr. Er wollte ihr auf die Schulter klopfen, doch sie wich zurück und verschwand im Haus, einen letzten misstrauischen Blick in Philips Richtung werfend.
Die beiden Männer hatten noch kein Wort miteinander gewechselt.
Irgendwie gelang es Philip schlieÃlich, sich aus seiner Verzweiflung zu reiÃen. Er musste seinen ganzen Willen, seinen ganzen Verstand aufwenden, um sich immer wieder vorzusagen: Alles ist gut gegangen. Es gibt keinen Grund zur Sorge.
Irgendwie gelang es ihm auch, Xelia und Hyronimus vorzuschlagen, Zuflucht für die Nacht in einem Heuschober zu suchen, den er vor ihrer Ankunft eine Meile entfernt entdeckt hatte. Dort konnten sie weitere Schritte beratschlagen.
Als Antwort erhielt er ein verkrampftes Schweigen von Xelia, ein Schulterzucken von Hyronimus. Dass dieser so gar nichts zu sagen hatte, verunsicherte Philip in höchstem MaÃe. Für ihn hatte festgestanden, dass alles gut werden würde, wenn Hyronimus erst einmal da war. Er war davon ausgegangen, die Verantwortung dann ablegen zu können wie einen alten, abgetragenen Mantel. Hyronimus war schlieÃlich der Altere und sollte wissen, was gut und richtig war. Doch danach sah es nun ganz und gar nicht aus.
Bevor ihn ein neuer Anfall von Panik übermannen konnte, warf Philip dem Pferd, das sich schon für die Nacht niedergelegt hatte, die Packtaschen über. Er erntete dafür einen verdutzten Blick von ihm.
Kurze Zeit später brachen sie auf.
Die Scheune lag weiter entfernt, als Philip dies in Erinnerung hatte. Kein Stern â und der Mond erst recht nicht âwar zu sehen, nichts, was die nebelige Dunkelheit erhellt hätte. Philip konnte nur hoffen, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben. Ohne die Ãllampe, die er samt Proviant vom Steinbrenner-Bauern gekauft hatte, hätten sie den Weg wahrscheinlich gar nicht gefunden, so schwarz war die Nacht.
Während Xelia schweigend neben ihnen herlief, lieà Philip sich von Hyronimus erzählen, was geschehen war. Nachdem er sich doch für die Flucht entschieden hatte, war Eile angesagt gewesen. Marlene war sowieso schon später dran als an anderen Tagen. Ohne Schwierigkeiten hatten die beiden Weiber das Spital verlassen können, den Leiterwagen, mit Hyronimus unter schmutziger Wäsche versteckt, zwischen ihnen. Sobald sie hinter dem
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