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Die Liebe des Kartographen: Roman

Die Liebe des Kartographen: Roman

Titel: Die Liebe des Kartographen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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erreicht. »Im warmen Federbett liegt es sich halt besser als in deiner kalten Höhle«, hatte Philip vor ein paar Tagen lachend zu Xelia gesagt. Doch das war nicht die Erklärung, nach der Xelia suchte. Natürlich hatte Philip recht: Die Kammer, die Michael ihnen zugewiesen hatte, war überaus angenehm – warm, mit einem großen Lager und einer weichen Decke aus Wolle. Auch zur Schlafenszeit brannte immer eine kleine Öllampe, so dass nie völlige Dunkelheit herrschte. Aber es war nicht allein die Bequemlichkeit, die ihre Körper in so ungeahnte Höhen trug, dass Xelia manchmal glaubte, wie ein Vogel über allem zu schweben. Natürlich lag es auch daran, dass sie sich mit jedem Tag besser kannten. Auch war Philip längst nicht mehr der Grünschnabel, dem sie jedes Häppchen mühsam füttern musste! Er wusste inzwischen längst, wie er eine Frau beglücken konnte. Ein Schauer lief ihr über den Rücken, als sie an seine Hände dachte, die so beharrlich waren und so zärtlich. Sie verschränkte die Hände hinter ihrem Kopf. Schläfrigkeit machte das Nachdenken schwierig, und so ließ sie ihren Gedanken freien Lauf, ohne sie beherrschen zu wollen.
    Da war noch etwas anderes: Hier in Meran, in der Sicherheit, fand nicht nur ihr Kopf, sondern auch ihr Körper seine Ruhe. Schlagartig fiel es ihr wie Schuppen von den Augen: Der elende Zwang, sich bei jeder Gelegenheit waschen zu müssen, bis ihre Haut blutig war, war verschwunden! Seit wann? Sie wusste es nicht. Sie wollte sich aufsetzen, doch Philip zog sie sanft zurück. Erstreckte sich ihre gute Beobachtungsgabe denn nur auf andere? War sie blind, wenn es um sie selbst ging? Nun musste sie nachdenken, und das gelang ihr besser im Sitzen. Also schob sie Philips Hand zur Seite und machte einen neuen Versuch, sich aufzurichten.
    Natürlich genoss sie es, sich mit dem warmen Wasser, das Adolf jeden Morgen vor ihre Türe stellte, zu waschen. Wenn das Wasser lau über ihren Leib prickelte, hörte sie sich manchmal vor Lust seufzen. Vor Lust, wohlgemerkt! Nicht vor Qual. Sie verstand selbst nicht ganz, was mit ihr geschehen war, aber es war so, dass sie sich wusch, weil sie Freude daran fand, und nicht, weil sie sich schmutzig fühlte! Überhaupt mochte sie sich viel mehr, als das früher der Fall gewesen war: Ihr Körper war nicht mehr ihr Gefängnis, in dem sie gezüchtigt wurde und aus dem es kein Entfliehen gab. Ihr Körper war … einfach da und gehörte zu ihr wie ihr Haar, ihre Stimme oder ihre Fähigkeit zu denken. So, wie Lola mit jedem Tag ein bisschen mehr ihre noch viel zu große Welpenhaut ausfüllte, so erging es auch Xelia: Auch sie wuchs in ihre Haut hinein – wenn man so etwas bei Menschen überhaupt sagen konnte! Sie lachte. Auf was für Gedanken sie kam!
    Â»Was ist?«, fragte Philip schläfrig.
    Xelia seufzte. Wenn sie jetzt still blieb, würde es nur noch einen kurzen Augenblick dauern, bis Philip tief und fest schlief. Wollte sie das? Wollte sie mit ihren Gedanken allein bleiben? Sie entschied sich dagegen. »Mir geht so vieles durch den Sinn.«
    Â»Mmhh.« Er räkelte sich.
    Obwohl er tat, als sei er schläfrig, spürte Xelia, dass er zuhörte. »Ich habe manchmal das Gefühl, ein ganz anderer Mensch zu sein, seit ich hier bin«, versuchte sie sich zu erklären. Doch laut ausgesprochen kamen ihr die Worte hohl und nichtssagend vor.
    Â»Das bist du doch auch!«, entgegnete Philip und streichelte ihren Arm.
    Sie stutzte. Klang da ein Vorwurf mit? Sofort verwarf sie den Gedanken. »Und du?«, flüsterte sie. »Bist du denn noch der Alte?« Kaum hatte sie die Frage ausgesprochen, wurde ihr klar, wie berechtigt sie war.
    Nun rappelte sich auch Philip auf. Er drehte den Docht der Öllampe etwas höher. Im heller werdenden Licht erkannte Xelia die steile Falte zwischen seinen Augen, die seine Stirn teilte.
    Â»Ob ich noch der Alte bin?«, wiederholte er gedankenverloren ihre Worte. »Die Frage ist doch: Wer war ich zuvor?« Ruckartig drehte er sich zu ihr um. »Es ist ganz seltsam. Wenn ich an die Zeit in Württemberg zurückdenke, die Zeit vor der Höhle, dann sehe ich mich immer nur mit einem Bogen Pergament in der Hand durch die Landschaft marschieren und diese in Quadrate aufteilen. Ob in Tübingen oder auf meiner Reise: immer nur das eine Bild. Das kann doch nicht sein! Bestand

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