Die Liebe des Kartographen: Roman
denn mein Leben nur aus meiner Arbeit?«
Xelia zuckte mit den Schultern und schwieg. Sie konnte es schlieÃlich auch nicht leiden, wenn ihr jemand sagte, wie sie die Dinge zu sehen hatte. AuÃerdem waren sie und Philip sich in den seltensten Fällen darin einig!
»Das Schlimme ist, dass ich selbst gar nicht gemerkt habe, dass meinem Leben etwas fehlte! Wenn Adalbert mich mit einem seiner philosophischen Werke beglücken wollte, hatte ich nur abgewinkt. Zeitverschwendung, pah! Wenn meine Kameraden mich zu einer Feier einluden, habe ich ebenfalls nein gesagt: sinnlose Zerstreuung, pah! Inzwischen glaube ich, dass ich ein ganz armer Tropf gewesen bin. Was wusste ich denn schon von der Welt und dem Leben? Nichts! Und von den praktischen Seiten erst recht nichts. Ich konnte ja noch nicht einmal ein Feuer anzünden.«
Xelia war bestürzt. Sein Innerstes nach auÃen zu kehren war ganz und gar nicht Philips Art! Was war über ihn gekommen, dass er auf einmal so schonungslos offen war? Sie spürte den Zwang, etwas Tröstendes zu sagen. Stattdessen streichelte sie ihm über den Kopf.
»Mein Leben ist erst so bunt und aufregend, seit ich dich kenne! Du bist es, die mich so verändert hat!« Er hörte sich fast verzweifelt an. »Was bin ich also ohne dich?«
Seine Heftigkeit machte Xelia Angst. Sie dachte nach. »Niemand kann einen anderen Menschen vollständig verändern, oder?«, sagte sie dann langsam. »Sonst hätte der Gerber doch schöne Arbeit an mir vollbracht. Aber das ist ihm schlieÃlich nicht gelungen, oder?« Sie zog die Nase hoch. Sie war sich ihrer Sache ganz und gar nicht sicher, trotzdem lieà sie die Worte aus ihrem Mund purzeln, wie sie kamen. »Nein. Wenn sich jemand ändert, dann nur, weil er selbst es will! Aber â vielleicht haben wir uns auch gar nicht geändert? Vielleicht haben wir bisher einfach nur nicht diejenigen sein dürfen, die wir von Natur aus sind? Schau, hier in Meran kann ich zum ersten Mal in meinem Leben so sein, wie ich mich tief drinnen fühle. Ich muss mich nicht ducken, verstellen oder verstecken wie daheim auf der Alb. Ich kann einfach Xelia sein! Und du solltest einfach nur Philip sein.«
Philip schaute auf. Der Gedanke schien ihn zu berühren.
Der Anblick von Philip, wie er auf seiner Unterlippe herumkaute, lieà Xelias Herz flattern, so verletzlich sah er auf einmal aus. Sie wollte ihm so gern etwas Eigenes geben! Etwas, worauf er sein Leben aufbauen konnte. So, wie ihr Adalbert etwas gegeben hatte. Adalbert â sie brachte es immer noch nicht fertig, ihn Vater zu nennen.
Er lachte bitter. »Wen meinst du denn? Philip, den Kartographen, oder Philip, den Mann, der neben dir liegt? Verflucht, es ist, als ob zwei Herzen in meiner Brust schlügen! Sieh mal, du und deine Arbeit â ihr seid eins. Da gibt es nicht Xelia, die Heilerin, und daneben Xelia, die Frau.« Er winkte ab, als ob ihm das Gespräch lästig würde. Seine Augen waren dunkel vor lauter Gefühlen. »Was ich eigentlich nur sagen will: Die letzten Wochen waren die schönsten meines Lebens! Seit ich dich kenne, ist mir, als sei eine Sonne aufgegangen. Und diese Sonne bist du.« Seine Stimme war nur noch ein Flüstern, sein Atem strich über ihre Wangen.
Xelia zog ihn fest an sich. So schön seine Worte klangen â sie wollte sie nicht hören. »Du machst mir Angst, Philip.« Sie klang ein wenig verwundert, als ob sie ihre Offenheit selbst nicht erwartet hätte. »So spricht doch nicht der Mann, der wie besessen Schritte gezählt hat? Nicht ich sollte dein Lebensinhalt sein, sondern deine Arbeit!« Ihre Stimme klang mit jedem Satz fester. »Du sagst, es gibt nur eine Xelia â du hast recht! Weil ich mein Leben fortan so lebe, wie es wohl für mich bestimmt ist, ob vom Herrgott droben im Himmel oder von â¦Â« Sie zuckte mit den Schultern. »Niemand kann vor sich und seinen Aufgaben weglaufen. Und niemand kann vor sich selbst weglaufen. Vielleicht fühlst du dich nur deshalb wie mit einer Axt gespalten, weil du deine Arbeit vermisst? Weil dir etwas fehlt, was für dich und dein Leben wichtig ist?« Ihr war, als steche sie sich selbst einen Dolch in den Leib, aber sie musste diese Fragen stellen. Philips Unzufriedenheit nahm mit jedem Tag, den er länger untätig in Meran blieb, mehr Platz in seinem Herzen ein. Bis eines Tages seine Liebe zu ihr
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