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Die Liebe des Wanderchirurgen

Die Liebe des Wanderchirurgen

Titel: Die Liebe des Wanderchirurgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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beider Seiten aufzurechnen. Nichts machte Sinn, im Großen wie im Kleinen. »Willst du es dir nicht noch einmal überlegen und von Bord gehen? Noch ist es nicht zu spät.«
    »Nein.«
    »Bereitet es dir etwa Freude, dabei zuzusehen, wie deine Landsleute zusammengeschossen werden?«
    »Das wird niemals passieren! Meine Landsleute sind die tapfersten Soldaten der Welt, ihr hochnäsigen Engländer werdet das schon noch zu spüren bekommen.«
    Vitus gab es auf. Er schrieb den Brief, streute Löschsand auf die Tinte und versiegelte ihn. Als Adresse gab er an:
Seine Exzellenz Lordadmiral Howard, Viscount of Effingham, an Bord von
HMS Ark Royal.
    Dann stand er auf und ging hinaus.
     
     
     
    Sechs Stunden Knochenarbeit später hatte McQuarrie mit seinen Männern die
Camborne
in die Bucht verholt, wo sich immer mehr Schiffe versammelten, um auf ablaufendes Wasser und besseren Wind zu warten. Achtzig Kriegsschiffe mochten es am Ende sein, und es würden auch nicht mehr werden, denn das Geschwader von Lord Henry Seymour, das vor der Themsemündung kreuzte, sollte vorerst nicht in die Kampfhandlungen eingreifen.
    Zwischen den Schiffen herrschte reges Treiben. Beiboote und Pinassen kreuzten hin und her, um Nachrichten und Befehle zu übermitteln. Auf diese Weise sprach es sich schnell herum, dass die
Golden Hind
unter Kapitän Fleming am Morgen südlich der Scilly-Inseln die Armada entdeckt hatte – eine Nachricht, die er Howard, Drake und anderen Kommandanten beim Bowls-Spiel auf dem Plymouthhügel überbrachte.
    Bekannt wurde auch, dass die Schiffe sich in zwei Geschwader teilen sollten; das kleinere unter Drake sollte unterhalb der Küste dem Feind entgegenkreuzen, das größere unter Howard zunächst Kurs auf die Eddystone Rocks nehmen. Ziel war in jedem Fall, die Luvposition gegenüber dem Feind zu gewinnen, um sich alle Möglichkeiten des Handelns zu sichern.
    Doch noch war es nicht so weit.
    Noch prüften unzählige Augen Wetter, Wind und See, ob nicht endlich eine Verbesserung der Situation einträte. Die Schiffe Ihrer Mäjestät schwoiten in der kabbeligen See um die Anker. Stunde um Stunde verging. Die Nacht brach an, neue Wachen zogen auf, wurden abgelöst und durch wieder neue Wachen ersetzt.
    Endlich, gegen Morgen, schlug der Wind um, die Schiffe gingen ankerauf und segelten mit ablaufendem Wasser dem großen Gefecht entgegen. Die
Camborne
unter Kapitän Steel kreuzte befehlsgemäß hinter dem letzten Schiff von Howards Geschwader, das von der stolzen
Ark Royal
angeführt wurde und in deren Kiellinie so bewährte Kriegsgaleonen wie die
Golden Lion,
die
Dreadnought
und die
Nonpareil
fuhren.
    Die
Camborne
sollte sich aus sämtlichen Kämpfen heraushalten, um die Schwerverwundeten möglichst unbehelligt an Bord nehmen zu können. Steel selbst hatte sich nur wenige Male auf dem Kommandantendeck blicken lassen, sich davon überzeugt, dass die Abstände zu den voraussegelnden Einheiten stimmten, und sich wieder in seine Kajüte begeben. Die Führung des Schiffs überließ er gern McQuarrie, der von Anfang an einen hervorragenden Eindruck auf ihn gemacht hatte. McQuarrie wiederum schien sich gut mit Abbot, dem Zweiten, der gleichzeitig Segelmeister war, zu ergänzen. Beide stammten aus Schottland, der eine aus Kirkcaldy bei Edinburgh, der andere aus Dundee, wobei Abbot bei gleicher Statur ungefähr zehn Jahre jünger war als McQuarrie, der schon die vierzig anpeilte.
    Bei vier Glasen am Nachmittag erschien Steel wieder auf seinem Kommandantendeck und fand dort McQuarrie und Vitus vor. Beide trugen Seezeug aus Wachstuch, denn der aus nördlichen Richtungen kommende Wind trieb einen unangenehmen Nieselregen vor sich her, die See zeigte hier und da Schaumköpfe, und die Dünung nahm zu. McQuarries Augen leuchteten, es war ein herrliches Gefühl, über ein so prachtvolles Schiff zu gebieten. Vitus dagegen wirkte weniger fröhlich, er hatte die vergangene Nacht abermals frierend auf dem Operationstisch verbracht, um Isabella aus dem Weg zu gehen.
    »Ungemütliches Wetter!«, dröhnte Steel, als er sich zu den beiden gesellte. »Wie ich sehe, können auch einem Cirurgicus Seebeine wachsen.«
    Vitus rang sich ein Lächeln ab. »Ich habe mir erlaubt, heraufzukommen, Captain. Bei diesem Wetter bläst man unter Deck nur Trübsal.«
    »Sicher, sicher. Allerdings kommt es darauf an, was man unter Deck macht, Cirurgicus.« Steel zwinkerte zweideutig mit dem rechten Auge. »Wenn man einen zur Brust nimmt oder ein hübsches Weib

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