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Die Liebe ist eine Insel

Die Liebe ist eine Insel

Titel: Die Liebe ist eine Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudie Gallay
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… Wie viele Exemplare haben Sie gedruckt?«
    »Zweitausend.«
    Sie zwingt sich zu lächeln.
    »Sie hätten mir ein Zimmer im Luxushotel mieten können, anstatt mich zu Isabelle zu schicken.«
    »Gefällt es dir nicht bei Isabelle?«
    Sie schüttelt den Kopf.
    »Das hab ich nur so gesagt … Sie haben doch sicher eine Menge Kohle verdient?«
    Odon holt eine Zigarette heraus. Spuckt den Filter aus. Zündet sie mit dem Feuerzeug an, die Flamme beleuchtet seine Hände, die schweren Ringe unter den Augen.
    »Ich habe das Geld deiner Mutter geschickt.«
    Marie lacht höhnisch.
    »Sie haben den Engel gespielt, Ihnen fehlt nur noch die Krone.«
    Er verbessert sie.
    »Der Heiligenschein.«
    Sie beugt sich vor, kratzt den Schlamm ab, der an ihrer Wade klebt. Nach Pauls Tod wusch ihre Mutter ihr das Gesicht mit Seife, damit es wie ein Spiegel glänzte. Und sie machte noch andere Dinge dieser Art.
    Sie blickt auf das schwarze Wasser, die Kippe, die von den Wellen hin und her geschaukelt wird. Die Strömung reißt die Blätter mit sich. Sie hebt den Kopf, um die Lichter der Stadt zu sehen. Den beleuchteten Papstpalast. Die goldene Jungfrau.
    »Marie, wie ist dein Bruder gestorben?«
    »Ein blöder Tod.«
    »Deine Mutter hat von einem Kranunfall gesprochen.«
    »Das hat sie allen erzählt, oder auch, dass er vom Gerüst gefallen sei.«
    Er fragt, ob das nicht stimme.
    Sie antwortet nicht. Ein Vogel mit bunten Flügeln nähert sich und pickt im Schlamm.
    »Reizt es Sie nie, mal woanders hinzufahren? Sie könnten doch den Anker Ihres Kahns lichten …«
    »Mein Kahn hat keinen Anker.«
    »Und was machen Sie dann, um loszufahren?«
    »Man löst die Taue und lässt ihn treiben.«

O don kehrt auf den Kahn zurück, verschwindet unter Deck und kommt mit einer Flasche Whisky und zwei dickwandigen Gläsern wieder nach oben.
    Er bleibt stehen.
    Marie geht zu ihm, lässt sich auf einen Sessel fallen und legt die Beine über die Lehne. Den Kopf zurückgeworfen, blickt sie sich um, die Bäume, die Töpfe, der ganze Krempel, der da herumsteht. Und die Nacht.
    Im Caravan gab es keine Trennwände, ihre Mutter zog einen Vorhang vor ihr Bett. Marie schlief auf der Bank. Ihr Bruder blieb im Lieferwagen. Im Winter fror er.
    Sie steht auf, geht zum Klavier, legt die Finger auf die Tasten. Ein Wappen ist in den Lack graviert. Sie drückt mehrmals mit dem Zeigefinger auf denselben hohen Ton.
    »Sind sie aus Elfenbein? … Wissen Sie, dass man die Elefanten wegen solchem Quatsch tötet?«
    Sie drückt die Finger auf die Tasten. Es hallt in der trockenen Luft. Es hallt auch in ihrem Schädel. Sie lässt den Deckel zurückfallen.
    Als Paul gestorben war, drehte sie die Musik im Lieferwagen voll auf. Ihre Mutter schlug mit der Faust gegen die Wagentür. Sie machte sich ein letztes Geschenk mit der Musik bei geschlossenen Türen.
    »Meine Mutter hat einen Baum gepflanzt. Sie hat die Erde mit der Asche vermischt, sie sagte, er brauche fünfzig Jahre, um zu wachsen.«
    Sie geht zum Sessel zurück.
    »Wie lange haben Sie gebraucht, um zu erkennen, dass Anamorphose gut ist?«
    »Ich habe es sofort erkannt.«
    Sie lässt ihre ausgestreckten Hände zwischen ihren Augen und dem Himmel tanzen.
    »Genau sechsundzwanzig Tage, das ist die Zeit, die Sie haben verstreichen lassen, bevor Sie ihn angerufen haben.«
    Sie wirft ihm einen Blick zu.
    Der Fluss schimmert. Die Nachtvögel fliegen dicht über der Oberfläche auf der Suche nach Insekten. Die Dunkelheit lässt anderen Geräuschen Raum. Merkwürdiges Kratzen am Holz des Kahns. Äste, die von der Strömung mitgerissen werden, reiben sich am Rumpf, verfangen sich ineinander und bilden etwas weiter weg eine Sperre.
    Marie dreht den Kopf.
    »Am Anfang hab ich Sie gemocht«, sagt sie.
    »Du nervst, Marie.«
    »Er nervt niemanden mehr.«
    Die Whiskyflasche steht auf dem Tisch. Am Ufer explodieren Knallkörper. Mädchen lachen.
    Sie schenkt sich ein Glas ein. Benetzt ihre Lippen. Der Alkohol ist stark. Sie ist ihn nicht gewöhnt. Sie hat Tränen in den Augen, zerdrückt sie mit der Faust.
    »Ich glaube, ich werde nach Hause gehen.«
    Über ihr bewegen sich die Blätter der Platanen im Wind.

M arie geht nicht. Sie behält ihr Glas in der Hand. Ohne zu trinken. Nur der Geruch, wie ein Parfum.
    »Es war kein Kranunfall«, sagt sie.
    Sie blickt zu Odon auf, das Glas an ihrem Gesicht.
    Er lehnt an der Reling.
    »Nur eine Kugel im Magazin. Eine Chance von eins zu sechs.«
    Er verspannt sich.
    Sie spricht nicht weiter.
    Sie

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