Die Liebe Und Wie Sich Leidenschaft Erklaert
Bestimmt sagen Sie jetzt: Ja, geträumt hab ich von ihm, und wie ich von ihm geträumt habe! Leider ist er immer nur in meinen Träumen geblieben ... Ich weiß, ich weiß, Sie meinen, es gibt ihn nicht, den perfekten Mann. Doch das stimmt nicht.
Es gibt ihn, und man könnte ihn ungefähr so beschreiben: Er
ist weich, pflegeleicht und sozial. Trifft er eines Tages seine Traumfrau, verwandelt er sich, und das bereits nach einer einzigen heißen Nacht, vom herumstreunenden Junggesellen zum treuen Gatten. Nie mehr wird er seiner Partnerin von der Seite weichen. Anderen Frauen gegenüber ist er so gut wie gleichgültig. Den Nachwuchs dagegen hegt und pflegt er wie Mutter Theresa ihre Zöglinge.
Okay, eine kleine Schwäche hat sogar er: Er ist ein bisschen Besitz ergreifend. Konkurrenten kann er nicht ausstehen. Kommt ein Nebenbuhler vorbei, verjagt er ihn in einem Anflug rasender Eifersucht. Dafür steht er aber auch zu seiner Partnerin bis zum Tod, ja noch über den Tod hinaus: Stirbt seine Frau, bleibt er bis ans Ende seines Lebens allein.
Hört sich gut an! Und wo versteckt er sich, dieser perfekte Mann? Wo ist er zu finden? Sie ahnen es schon. Irgendeinen Haken muss es doch geben. Sie haben ja Recht. Nicht, dass es ihn nicht gäbe, diesen makellosen Mann, aber es handelt sich nicht um einen Menschen, sondern um eine Maus, genauer: um die Präriewühlmaus, die im Mittleren Westen der USA lebt. Diese flauschigen, fingerlangen Geschöpfe führen uns vor, wie wenig es zur lebenslangen Ehe bedarf. [166]
Bei den Präriewühlmäusen gibt es wirklich so etwas wie Liebe auf den ersten Blick. Ein Wühlmausweibchen gerät nicht zu einem festgelegten Alter in die Pubertät, sondern erst dann, wenn es auf einen Mäuserich trifft, den es gut riechen kann. Sobald das Weibchen seine Pheromone erschnuppert und für geeignet befindet, bereitet sich ihr Körper blitzschnell auf die Paarung vor.
Die folgenden 24 Stunden dürften die aufregendsten im Leben einer Präriewühlmaus sein: Die Tiere geben sich einem Marathon der Leidenschaft hin, sie treiben es fast ununterbrochen, locker zwei Dutzend Mal. Nach dieser ereignisreichen Nacht ist im Leben einer Wühlmaus, versteht sich, nichts mehr so, wie es einmal war. Männchen und Weibchen beziehen gemeinsam ein Nest, verteidigen ihr Territorium gegenüber Störenfrieden – und sie bleiben für immer zusammen.
Man möchte meinen, dass diese phänomenale Treue eine komplizierte
biochemische Angelegenheit ist. Dabei hängt sie in erster Linie von zwei winzigen Molekülen ab: Oxytocin und Vasopressin.
Beim Weibchen ist das Oxytocin wirksam, beim Männchen das Vasopressin. Beide Hormone ähneln sich sehr. Sie bestehen aus jeweils neun Aminosäuren, den Bausteinen von Eiweißen. Oxytocin und Vasopressin unterscheiden sich in nur zwei dieser neun Aminosäuren.
In der Nacht der Nächte werden die Gehirne der wollüstigen Wühlmäuse mit den beiden Liebeshormonen geradezu überflutet, das Hirn des Weibchens mit Oxytocin, das des Männchens mit Vasopressin. Nach dieser gründlichen Hirnwäsche sind die Tierchen von Kopf bis Fuß auf Einehe eingestellt.
Oxytocin und Vasopressin scheinen diese Kraft unter anderem dadurch zu entfalten, dass sie ihrerseits den Botenstoff Dopamin im so genannten Belohnungssystem des Gehirns freisetzen. [167]
Das Hirn von Wühlmäusen ist mit Lustarealen ausgestattet, die dafür sorgen, dass die Wühlmaus das tut, was sie tun sollte. Auch wir Menschen besitzen ein solches »Belohnungssystem«. Ohne das Belohnungssystem bestünde die Gefahr, dass wir auf Essen, Trinken oder auch Sex schlicht verzichten würden. Damit das unter keinen Umständen passiert, hat die Natur Hirnstrukturen in unseren Kopf gebaut, die uns mit guten Gefühlen belohnen, wenn wir etwas tun, das im Dienste der Evolution steht.
Drogen »missbrauchen« diese Schaltkreise. Alkohol oder Kokain etwa geben uns nicht zuletzt deshalb einen Kick, weil sich unter ihrer Wirkung das Lustmolekül Dopamin in den Belohnungsarealen des Gehirns anreichert. [168] Oxytocin und Vasopressin bewirken offenbar, dass eine Wühlmaus diesen Dopamin-Kick mit einem ganz bestimmten Partner zu verbinden lernt. [169]
Der bindenden Wirkung des Oxytocins und Vasopressins kamen Biologen auf die Schliche, als sie die Liebesnacht der Wühlmäuse von der Graslandschaft ins Labor verlagerten. Als sei das noch nicht unromantisch genug, verpassten sie den Wühlmäusen, bevor das Spiel der Leidenschaft beginnen konnte, eine kleine
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