Die Liebe verzeiht alles
Dort besorgt sich seine Familie das Essen.“
„ Warst du mit Gus in Minot?“, fragte Brandi bestürzt und ernst, als Lilah nichts sagte. „Ich weiß, dein Onkel hat früher mal gewollt, dass du freundlich zu ihm bist, nur …“
„Das würde man dir in dieser Kleinstadt nie vergessen“, erklärte Cathie ehrlich beunruhigt. „Du hast doch nicht wirklich mit ihm rumgemacht, oder, Lilah?“
Alle warteten auf eine Antwort, Gus eingeschlossen.
„Nein, natürlich nicht“, erwiderte sie dann endlich angestrengt.
Gus wurde es einen Moment fast schwarz vor Augen. Er empfand einen entsetzlichen Schmerz, als hätte man ihm ein Messer in die Brust gestoßen und würde es wieder und wieder in der Wunde umdrehen. Sein Herz klopfte wie verrückt, während er hörte, wie die Freundinnen ihre Erleichterung äußerten – und Lilah stumm blieb.
Irgendwann konnte er die Situation nicht länger ertragen und kam hinter der Trennwand hervor. Dabei bewegte er sich so steif wie ein Zinnsoldat. „Nein, verdammt, wir haben nichts miteinander. Sie hat nur mit mir geredet, damit ihr das Taschengeld nicht gestrichen wurde. Unsere Prinzessin von Kalamoose hat sofort aufgehört, nett zu mir zu sein, als ihr Onkel ihr erlaubt hat, ihren Wohltätigkeitsdrang bei jemand anders auszutoben. Habe ich nicht recht, Eure Hoheit?“
Gus war unglaublich wütend. Später würde er sich vermutlich heftige Vorwürfe machen, weil er sich nicht davongeschlichen und Lilah erst später unter vier Augen zur Rede gestellt hatte.
Ihre Freundinnen schwiegen jedenfalls vor Schrecken und Verlegenheit, und Lilah selbst sah ihn verzweifelt an.
Inständig hoffte er, dass sie es nicht dabei beließ, und bemerkte dann die Veränderung in ihrem Gesichtsausdruck. Nein, das war nicht die Reaktion, die er sich erhofft hatte. Sie flehte ihn mit den Augen an, er möge nichts weiter sagen.
Zweifellos würde sie sich nicht zu ihm bekennen oder ihn in irgendeiner Weise verteidigen. Wenn er doch bloß ihren Beistand und ihre Loyalität nicht so dringend bräuchte!
Schließlich wandte er sich ab und ging davon, denn er hatte Angst, zu bleiben und womöglich den Mund nicht halten zu können.
„Dein Onkel hat mir die Taschenuhr zum achtzehnten Geburtstag geschenkt“, erklärte Gus nun und blickte an Lilah vorbei.
Er erinnerte sich noch genau an sein schlechtes Gewissen, als Harm sie ihm mit den Worten gab, er sei stolz auf ihn, weil er das Beste aus seinem Leben mache. Wie sehr war er sich wegen seiner geheimen Beziehung zu Lilah als Betrüger und Lügner vorgekommen. Und er hatte befürchtet, dass Harm ihn verabscheuen würde, wenn er die Wahrheit herausfand.
Trotzdem war er an jenem Tag im Mai bereit gewesen, diese Gefahr auf sich zu nehmen. Er hätte mit Lilah den Ball besucht und sich um Kontakt zu den Mitschülern bemüht, die ihn seit Jahren verspotteten. Für Lilah hätte er alles aufs Spiel gesetzt, selbst die gute Meinung des einzigen Mannes, der sich jemals um ihn gekümmert hatte.
„Dann müssen wir uns nicht wiedersehen.“ Er klang fast gelassen, obwohl sein Ärger nicht verraucht war. „Ich habe nichts mehr von Harm, und du hast nichts, was ich haben möchte. Wir können uns also in Zukunft aus dem Weg gehen.“ Auch wenn es ihm gelungen war, Lilah erneut zu verletzen, was sie nicht ganz verbergen konnte, fühlte er sich nicht besser.
„In einer Kleinstadt ist es so gut wie unvermeidlich.“
Gus zuckte die Schultern. „Wenn es passiert, passiert es eben. Ich werde es jedenfalls nicht darauf anlegen. Und irgendwie bezweifle ich, dass das Diner dein Stil ist.“
Erstaunt blickte Lilah ihn an. „Willst du mir damit sagen, dass ich mich von hier fernhalten soll?“
„Nein. Ich …“ Was tat er eigentlich anderes, außer das Gespräch in die Länge zu ziehen? „Iss verdammt noch mal, wo es dir passt.“ Er drehte sich um und marschierte zu seinem Wagen.
4. KAPITEL
„Kann ich noch einen Donut haben?“, fragte Bree mit vollem Mund.
Seufzend trank Lilah einen großen Schluck Kaffee und stellte den Becher behutsam zurück auf das Tischchen in Mamies Bäckerei. Sie war geräuschempfindlich, denn sie hatte rasende Kopfschmerzen. Wenn das Mädchen bloß aufhörte, permanent gegen das Tischbein zu treten.
Seit vierzehn Tagen war Lilah jetzt in Kalamoose und hatte es geschafft, Gus nicht über den Weg zu laufen. Auch hatte sie inzwischen eine Anstellung gefunden – als Bedienung in einem Coffeeshop in Minot. Zwar musste sie eine Stunde bis
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