Die Liebe zu Rosen mit Dornen
die ursprüngliche, wilde Hulthemia es inzwischen wäre. Ihre Blätter sind von einem satten Dunkelgrün, und die Staubbeutel stechen kanariengelb hervor.
Ich rieche an einer Blüte. Auch der Duft ist gereift. Grüner Apfel, Vanille, mit einem Hauch von Cayennepfeffer. Als stünde man vor dem Gewürzregal im Supermarkt, mit einem Apfel in der Hand. SüÃ, aber nicht zu süÃ.
Genau wie Riley.
Nicht dass ich es ihr sagen würde. Es wäre ihr sicher peinlich.
Ich finde, das ist die beste Hulthemia, die ich je gesehen habe.
Vielleicht sogar die beste Rose.
Sanft berühre ich die Blütenblätter.
»Sie ist wunderschön, Tante Gal«, sagt Riley.
Ich nicke. »Danke, dass du sie gerettet hast, Riley.«
»Aber du hast sie erschaffen.« Sie schenkt mir ein sanftes Lächeln und kommt um den Tisch herum. Gemeinsam sitzen wir auf den wackligen Klappstühlen und beobachten, wie die Leute vorbeiflanieren und stehen bleiben, um die Blume zu bewundern. Meine Blume. Wie Bienen werden sie angelockt.
Falls man mich beurteilt haben sollte, ist es mir nicht aufgefallen. Unzählige Leute kamen an unseren Tisch, manche mit Klemmbrettern, viele mit Kameras, haben Fragen gestellt und Notizen gemacht, sodass ich schon hundertmal bewertet worden sein könnte, ohne es zu merken.
Miss Lansing marschiert auf uns zu, unübersehbar eine Jurorin. Heute trägt sie ein pfirsichfarbenes Kostüm mit cremefarbener Rüschenbluse, die Absätze für ein menschliches Wesen zehn Zentimeter zu hoch, ihre Strumpfhose viel zu braun. Sie strahlt, mit Lippenstift auf den Zähnen. »Gal. Du meine Güte. Wie ich mich freue, dass Sie auf den Beinen sind!«
»Noch bin ich nicht tot«, sage ich nur halb im Scherz.
Sie wird blass. Die Leute wissen nicht, wie schrecklich deprimierend es ist, wenn man übers Sterben keine Witze machen darf. Manche wirft es förmlich aus der Bahn.
»Zum Glück«, sagt sie zaghaft. Sie setzt die Brille auf, die an einer Kette um ihren Hals hängt, und betrachtet die Rose. Sie gibt einen tiefen, kehligen Laut von sich wie eine seltsame Henne, der sie auch ähnelt, mit ihren groÃen Brüsten und den kleinen FüÃen. Riley grinst mich an.
Miss Lansings Mund wird zu einem hässlichen Strich. Eilig schreibt sie etwas auf ihrem Klemmbrett. Sie blättert den Beurteilungsbogen um und schreibt noch weiter. Langsam werde ich nervös. Das ist bestimmt kein gutes Zeichen, das viele Schreiben.
Drei weitere Juroren treten heran. Unverkennbar. Sie tragen Namensschildchen mit langen, grünen Schleifen daran. Ich lächle und begrüÃe sie. Miss Lansing tritt nicht zur Seite. Die Juroren betrachten meine Blume und werden ganz ernst. Einer von ihnen, ein älterer Herr mit groÃem, grauem Schnauzbart, fragt: »Wie haben Sie die Streifen hinbekommen?«
Mein Handy klingelt. Ich sehe Georges Nummer. Mein Herz rast. »Entschuldigen Sie mich«, sage ich zu dem Juror. Es kann nur einen Grund geben, warum er mich jetzt anruft. Um mir die Ergebnisse des Verträglichkeitstests mitzuteilen.
»Behalt den Tisch im Auge, Riley.« Ich achte nicht mehr auf die Juroren, suche nur so schnell wie möglich eine ruhige Ecke. »Hallo?«, sage ich und verlasse eilig den Ballsaal.
»Gal.« Es ist George. »Ich habe die Ergebnisse.«
Ich atme ein paarmal durch, lehne mich an die Wand. »Worauf warten Sie? Sagen Sie es mir.«
Ich kann sein tiefes Bedauern spüren, bevor er ein Wort gesagt hat. »Tut mir leid, Gal.«
Ich blinzle zur Decke, sinke zu Boden. Verdammt. Mir war nicht bewusst, wie dringend ich diese Niere haben wollte. Wie sehr ich davon ausgegangen bin, dass es passt. Wie perfekt es gewesen wäre, eine Lösung direkt vor meiner Nase.
»Die anderen Lehrer mit der Blutgruppe 0 haben auch alle zugesagt, sich testen zu lassen«, sagt er. Ich schlucke. Meine Stimme versagt.
»Wir wollen es in der Schule bekannt geben, in der Kirche, auf Twitter. Wir richten ein Spendenschneeballsystem ein. Machen Sie sich keine Sorgen, Gal.« Seine Stimme, warm und kummervoll, tröstet mich ein wenig. Kaum zu glauben, dass George das für mich tut.
»Ich bin sehr dankbar«, bringe ich hervor. »Vielen Dank.«
Ich lege auf, sitze einen Moment lang da, ziehe die Knie an und lege meine Stirn darauf.
Heute Abend will ich zu einem Dialysezentrum hier in Los Angeles. Unser Hotelzimmer bleibt
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