Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Liebe zur Zeit des Mahlstaedter Kindes

Die Liebe zur Zeit des Mahlstaedter Kindes

Titel: Die Liebe zur Zeit des Mahlstaedter Kindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Setz Clemens J.
Vom Netzwerk:
glänzende Improvisation damit beendet,dass ich mich bei ihm entschuldigte. Dafür, dass ich seine Tochter bisher gedeckt hätte, nicht im pferdezüchterischen Sinn, sondern im kriminaltechnischen. Ich hätte für sie gelogen, erklärte ich ihm, weil sie so lieb sei und so unschuldig wirke. Ich hätte ihr unsere Garage zur Verfügung gestellt, wo sie sich an den Wochenendvormittagen, wenn Herr Beichel außer Haus war, nun ja – Sie wissen schon. Orgien und so. Deswegen auch das Gespräch zwischen meiner Frau und Jasmin über das Thema. Sein Zorn sei ganz gerecht gewesen.
    Auf diese Meisterleistung stießen wir mit Sekt an. Wir tranken ihn aus alten Barbie- und Kenpuppen, denen wir die Köpfe abgerissen hatten. In eine solche Puppe passte zwar nicht besonders viel Flüssigkeit, aber der klebrige Plastikgeruch, der sich in den trocken schaumigen Sekt mischte, war reizvoller als erwartet, und wir verbrachten einen wunderschönen Abend.
    Ich hatte besondere Musik ausgewählt. Moon River , in Endlosschleife. Ein Gewitter zog auf, und die ganze Umgebung verwandelte sich in eine Filmkulisse. Wir mussten lächeln, und in einem sentimentalen Augenblick dachte ich sogar an Gott. Ein herbes, männliches Gefühl, das ich seit meiner Jugend nicht mehr gehabt hatte.
    Das nächtliche Gebrüll von Herrn Beichel ging überraschenderweise nicht im Lärm des Gewitters unter, sondern wurde davon auf brutale Art und Weise verstärkt, zu einem nackten, unmenschlichen Bellen. Wie fanatische Wahlkampfreden auf historischen Wachszylindern. Und immer wieder derselbe Refrain:
    – Warum tust du mir das an! Warum tust du mir das an! Nach allem, was ich für dich –
    Ich konnte mir sein rotes, schwitzendes Männergesicht vorstellen, seinen unsicheren Gang, mit dem er seiner Tochter durch alle Zimmer des großen Hauses folgte und ihr zurief, was für eine Schlampe sie sei, was für ein Unglück für die Menschheit. Und vielleicht, dachte ich, hatte er ja, während er schrie und Beleidigungen ausstieß, eine gewaltige Erektion zwischen den Beinen.
    Die besondere Magie dieses Abends bestand zweifellos in den wandernden Silhouetten, die man von unserem Fenster aus sehen konnte. Die Jalousien waren nicht heruntergezogen und das Licht in fast allen Räumen eingeschaltet. Herr Beichel wollte wohl nichts von dem Garten sehen, in dem sich die Schmetterlingsmännchen sammelten, die seiner Tochter an die Wäsche gingen.
    Wie bei einem chinesischen Schattenzirkus änderten die Silhouetten ihre Form und Größe, wenn sie sich bewegten. Ich hätte am liebsten die Hand nach ihnen ausgestreckt und sie gepflückt, diese herzzerreißenden Figuren, dieses wunderliche Puppenspiel, das nur für uns veranstaltet wurde.
    – Warum, Jasmin! Warum! Sag’s mir!
    Er folgte ihr überallhin. Längere Zeit sahen wir sie nicht. Dann wieder erschienen ihre Konturen, standen sich eine Weile gegenüber und wandten sich dann voneinander ab. An Herrn Beichels Bewegungen konnte man sehen, dass er den Verstand verloren hatte. Aus diesem Tunnel gab es kein Entrinnen mehr.
    – Ich halt’s nicht mehr aus, flüsterte Sarah und streifte ihre Unterhose ab.
    Sie warf sie gegen die Wand und bohrte ihre Fingernägelin das schwarze Schamdreieck zwischen ihren Schenkeln.
    – Geduld, sagte ich und ließ meine leergetrunkene Kenpuppe auf den Boden fallen.
    Die Musik kam zu einem Ende, und das Gerät kehrte automatisch zum Anfang zurück. Das Lied begann wieder von vorn, kitschige Streicherarrangements, ein paar Triangeln und ein leiser Paukenschlag, der den Herzschlag von Verliebten symbolisieren sollte.
    In diesem Augenblick begann die Vatersilhouette wild zu gestikulieren, die Tochtersilhouette versuchte, ihm um den Hals zu fallen und ihn zu beruhigen, doch schließlich holte er zu einem Schlag aus – Sarah entkam ein kleines, japsendes Stöhnen der Vorfreude –, aber Jasmin wehrte die Faust ihres Vaters ab.
    – Moooon Ri-ver!
    Dann öffnete sie die Faust, sodass sie wieder eine normale Hand war, und legte sie sich auf die Brust. Ein Augenblick absoluter Schönheit. Die Musik der Sphären verstummt, die Planeten halten an. Windstille im Universum.
    Der Vater wurde ganz ruhig. Er riss seine Hand nicht angewidert fort, sondern ließ sie weiter auf der flachen Brust seiner Tochter ruhen, auch nachdem sie ihre eigenen Hände weggenommen hatte und sie kraftlos an ihrem Körper herabbaumeln ließ.
    Als wir das sahen, fielen Sarah und ich wie wilde Tiere übereinander her. Sie bettelte um

Weitere Kostenlose Bücher