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Die Liebe zur Zeit des Mahlstaedter Kindes

Die Liebe zur Zeit des Mahlstaedter Kindes

Titel: Die Liebe zur Zeit des Mahlstaedter Kindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Setz Clemens J.
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Zeit.
    Mit beiden Händen hob er den schweren Teppich hoch und schob und trat mit seinen Füßen die Leiche auf den Bereich der etwas blasseren Bodenbretter. Diese von Licht und Menschen unberührt gebliebenen Bretter waren mit Sicherheit der verletzlichste, intimste Teil der Wohnung. Es dauerte eine Weile, aber schließlich hatte er die Leiche an die richtige Stelle geschoben und breitete den Teppich über sie aus. Das Gefühl, als das schwere, dichte, nach Vergangenheit und Schuhleder riechende Gewebe sich ganz um den Fremdkörper legte und ihn quasi wegzauberte, war eines großer Erleichterung. Fast hätte Markus laut in die Hände geklatscht.
    Der neue Teppichhügel sah ein wenig aus wie das dreidimensionale Modell einer topografischen Karte. Die Erhöhungen, die der Körper der Leiche verursachte, korrespondierten durch Zufall genau mit dem konzentrischen Muster des Teppichs. So lagen die dunkelsten Bereiche auf dem geografisch höchsten Punkt (der Schulter, die immer ein wenig nach oben ragte, wenn die Leiche auf dem Rücken lag). Das Ganze wirkte fast, als wäre es absichtlich so arrangiert worden, zum Zweck der leichteren Orientierung.
    Diese Lösung war zweifellos die beste bisher. Das einzige Problem war, über die Leiche hinwegzusteigen, denn ständig kam man auf dem aufgebäumten Teppich ins Straucheln. Also rückte Markus seinen großen Schreibtisch, der sowieso nie für etwas Sinnvolles genutzt wurde, aus dem Arbeitszimmer ins Wohnzimmer,bis er genau über dem Teppichgebirge stand. So würde er wenigstens nicht mehr stolpern. Und der Tisch stand hier, mitten im Raum, zwar nicht sehr vorteilhaft, aber vielleicht würde er sich jetzt öfter an ihn setzen und an seinen kleinen dichterischen Versuchen weiterarbeiten, die ihm ebenso leicht von der Hand gingen, wie sie ihm Kummer bereiteten angesichts ihrer offensichtlichen Zwecklosigkeit.
    Es sah gar nicht übel aus. Ein kleiner Hügel mitten im Raum – und darüber ein Tisch. Wenn er den Tisch nicht mit beschriebenen Blättern überfluten konnte, würde er einfach irgendwann ein langes Tuch darüberbreiten, eines, das bis zum Boden reichte.
    Erledigt, dachte Markus und ging in die Küche. Auf die erfolgreich überstandenen Strapazen der letzten beiden Tage musste er unbedingt anstoßen. Nach einigem gedankenverlorenen Etikettenlesen entschied er sich für einen Cabernet Sauvignon, eine Flasche mit dunkelrotem Inhalt.
    Erst als er schon zurück im Wohnzimmer war, wo der Tisch nun eine unübersehbar zentrale Position einnahm und dem Zimmer einen neuen emotionalen Schwerpunkt verlieh, bemerkte er, dass er zwei Weingläser mitgenommen hatte. Bei jedem Schritt klirrten sie leise aneinander im sanften Griff seiner Finger, mit dem er ihre dünnen, gläsernen Hälse umfasste.

Das Herzstück der Sammlung
    Ein Dichter kann sich seinen eigenen Tod leicht vorstellen. Er braucht nur zwei und zwei zusammenzuzählen. Allerdings – falls das Ergebnis am Ende tatsächlich VIER sein sollte, hat er irgendetwas falsch gemacht.
    Ernst Mauser, Tagebuch 1997-1999
    For whatever we lose (like a you or a me)
    it’s always ourselves we find in the sea
    E. E. Cummings
    – Und da hinten schließlich das Spätwerk, sagte der junge Mann und deutete auf ein langes Regal voll dunkler, teilweise zerfallener Bücher. Der ganze späte Setz. Der Warteschlangen -Zyklus. Enkel und Asteroiden . Alles aus seiner Nach-Meer-Periode. Aus der Vor-Meer-Periode haben wir nur die Romane, die meisten anderen Texte von damals sind verloren. Aber wir haben immerhin einige seltene Exemplare von seinem längst vergriffenen Kinderbuch Miau, die kleine Totenglocke .
    – Glocke, aha.
    Die Frau, die ihm folgte, sprach sehr langsam und mit unmodulierter Stimme, als hätte sie Mühe bei der Aussprache. Unpassend zu ihrer eleganten Lederjacke trug sie einen kurzen Rock und Turnschuhe, die wie kleine aufgeplusterte Tiere aussahen. In ihrer Handhielt sie einen weißen Kugelschreiber, und hin und wieder ließ sie ihn durch die Finger gleiten. Als sie an einem großen Metallschrank vorbeikamen, legte sie den Kugelschreiber darauf ab und beachtete ihn nicht weiter.
    – Und hier haben wir das Allerheiligste, sagte der junge Mann und tat so, als spucke er nach Handwerkerart in die Hände. Voilà, der Zettelkatalog.
    – Wie nennen sie ihn?, fragte die Frau.
    – Nein, ich habe nur gesagt Voilà. Das heißt so viel wie Hier oder Bitte sehr. Eine abgeschwächte Form von Dadada-DA-da-DA!
    Die Frau lachte unsicher, wie

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