Die Liebesgöttin erwacht (German Edition)
ich das unbesehen. Aber warum, Rosalie?Ich dachte, du hängst an Paris mit deinem ganzen Herzen.«
»In letzter Zeit hat sich hier einiges verändert. Und längst nicht zum Guten. Aber das ist es gar nicht. Mein Enkelsohn lebt in Rom, hat gerade geheiratet, und die beiden bekommen ein Baby. Da will ich die restlichen Jahre natürlich in der Nähe verbringen.«
»Das ist wunderbar, Rosalie. Meinen Glückwunsch. Aber ich wusste ja gar nicht, dass du ein Kind hast.«
»Ich wollte nicht, dass Ricardo davon erfährt, deshalb! Außerdem ist mein Sohn mittlerweile tot, nur den Enkel habe ich noch. Und bald einen Urenkel, wie es aussieht.«
»Ist er … der Vater? Ricardo, meine ich.«
»Es geht ihn nichts an, Amanda, hörst du? Er wollte damals unbedingt zurück nach Spanien. Ich ließ ihn ziehen, obwohl ich da bereits von dem Baby wusste, und ging alleine nach Paris. Hier lernte ich einen reichen Italiener kennen, der in Rom eine schöne Villa besaß. Ich heiratete den Römer, brachte meinen Sohn zur Welt, und wir lebten einige Zeit als Familie in der Ewigen Stadt. Irgendwann ließ ich mich scheiden und ging mit dem Kleinen wieder nach Paris. Mein Sohn absolvierte die Schule als Bester seines Jahrgangs und bekam ein Stipendium. Er wollte unbedingt in Rom studieren, also ging er dorthin. Stur wie sein Vater. Auch er war übrigens nie mit der Mutter meines einzigen Enkels verheiratet …« – Rosalie brach ab und lachte. »Muss wohl in den Genen liegen. Aber wenigstens brach der Kontakt zwischen den beiden nie ab. Und auch ich konnte das Enkelkind mehrmalsim Jahr besuchen. So, das ist die ganze Geschichte. Wenn du Ricardo von der Sache erzählst, ist unsere Freundschaft beendet, Amanda. Im Ernst.«
»Ich beiße mir eher die Zunge ab, Rosalie! Es ist alleine deine Sache. Ich bin froh, dass du mir die Geschichte anvertraut hast und dass ich noch rechtzeitig gekommen bin. Du wärst wohl einfach auf Nimmerwiedersehen verschwunden, nehme ich an?«
»Ich würde alles tun, damit Ricardo nichts erfährt«, sagte Rosalie. »Und jetzt zu dir, mein Mädchen.«
Sie ergriff Amandas linke Hand und drehte sie so, dass die offene Handfläche wie ein aufgeschlagenes Buch auf dem Tisch lag. Ein Weilchen betrachtete sie schweigend die Linien darin, fuhr sie mit dem Zeigefinger nach und murmelte leise mit geschlossenen Augen vor sich hin.
Schließlich sprach sie lauter: »Du willst die Männer nicht festhalten, und deshalb laufen sie dir nach. Recht so. Derzeit sind es gleich mehrere Kerle, die scharf auf dich sind. Aber du bist innerlich nicht wirklich frei, Selbst wenn du wolltest, du könntest dich derzeit gar nicht fest für einen von ihnen entscheiden. Und das ist auch gut so, das Leben hat momentan andere Pläne mit dir. Genieße weiterhin den Sex, aber pass gut auf dein Herz auf. Das ist der einzige Rat, den ich dir aus voller Überzeugung geben kann. Übrigens ist ein Herzbube dabei, aber die Zeit ist noch nicht wirklich reif für ihn. Und lass dich nicht von deinen nächtlichen Träumen verwirren! Einer der Männer versucht, auf telepathische Weise Macht über dich zu bekommen und dir deine innere Ruhe zu rauben. Ich sehe ihn als eine Art schwarzen Magier .Mach dir klar, dass alles im Leben nur ein Spiel ist, also auch seine Tricks. Wenn du es nicht zulässt, kann er dir auch nichts anhaben.«
»Glaubst du an Wiedergeburt, Reinkarnation, Seelenwanderung, Rosalie ?« – Die Frage stand auf einmal im Raum, ganz wie von selbst. Hastig griff Amanda nach ihrem Weinglas. Sie brauchte einen weiteren kräftigen Schluck.
In vino Veritas … dachte sie und musste unwillkürlich grinsen. Oder so ähnlich jedenfalls. Mein Schullatein taugt auch nicht mehr viel. Schande, Schande .
Rosalie zuckte nicht mit der Wimper. »Ich erzähle dir jetzt zwei Erlebnisse aus meinem eigenen Leben, Kind. Es gab davon einige, aber die beiden sollten fürs Erste genügen. Damals in Rom, mein Sohn war gerade einmal drei Jahre alt, kamen wir auf einem Sonntagsspaziergang an einem uralten Palazzo vorbei. Plötzlich blieb der Kleine stehen. Mit weit aufgerissenen Kinderaugen und ausgestrecktem Zeigefingerchen rief er: ›Mami, guck mal. Da habe ich gelebt. Aber es ist lange her.‹ Wir hatten Mühe, ihn von der Stelle fortzubekommen, er konnte den Blick nicht von dem Palazzo wenden, fing schließlich sogar zu weinen an. Den Rest des Tages blieb er verstört, wollte nichts essen und sprach auch nicht mehr mit mir oder meinem damaligen Mann, den er als
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