Die Liebesgöttin (German Edition)
…?«
»Iiiih … nein!« Amanda schüttelte sich so heftig, dass Ricardos Hände von ihren Schultern flogen.
Das hatte sie davon, jetzt war die schöne Massage unterbrochen …
»Ich kann doch keine lebende Ratte anfassen. Wie stellst du dir das denn vor?«
»Es ist ganz einfach. Ich erkläre dir gerne den Ablauf der richtigen Schlangenfütterung noch einmal.«
»Ich-fasse-keine-verdammte-lebende-Ratte-an-Ricardo-nein!«, ratterte Amanda in einem Atemzug ohne jede Stimmmodulation herunter.
Sie spürte, wie ihr der Schweiß am ganzen Körperausbrach, obwohl es hier oben in der schattigen Umgebung von Ricardos Wohnhöhle nie zu heiß wurde.
»Liebes Mädchen!«, begann der Meister und reichte ihr gleichzeitig die Hand, um sie auf die Füße zu ziehen. »Mir scheint, an dir haben wir noch eine ganze Menge Arbeit zu leisten. Die Angst vor Schlangen haben wir bereits überwunden. Aber mit Ratten und Mäusen scheinst du immer noch gravierende, weil allzu tief sitzende Probleme zu haben.«
»Da hast du verdammt Recht. Aber ich liebe diese Probleme, ich will sie behalten.«
Ricardo wäre nicht Ricardo gewesen, wenn er an dieser Stelle nicht geschmunzelt und anschließend ihren prächtigen Humor gelobt hätte. Hahaha …
Meistens war die Sache nach so einer Szene ausgestanden, und er ließ seine Therapieversuche fahren.
Nicht so heute!
»Komm mit Amanda«, sagte Ricardo und wandte sich auch schon zum Gehen.
»Wohin? Ich habe keine Zeit!«
»Natürlich hast du Zeit. Wir machen einen kleinen Spaziergang. Unterwegs erzählst du mir dann, was dir auf der Seele liegt. Deswegen bist du schließlich gekommen.«
Amanda fügte sich.
Er ging voraus, leichtfüßig wie ein 20-Jähriger. Das unebene Gelände schien ihm keinerlei Mühe zu bereiten.
Amanda folgte ihm weniger leichtfüßig. Sie kannte den Weg nicht und musste auf das verdammte herumliegendeGeröll achten. Schon ihrer geflochtenen Sandalen wegen. Die dummerweise von einem Designer stammten, handgearbeitet und sündteuer waren. Definitiv nicht geeignet für einen Spaziergang in den Bergen.
Ricardo sprach kein Wort mit ihr, während des Aufstiegs. Also machte sie sich ihre eigenen Gedanken. Über ihre nächsten geplanten Arbeiten. Das tat sie immer, wenn sie Zeit und Muße hatte.
Dabei fiel Amanda prompt der Titel – Alternde Liebesgöttin – und damit auch Salomé wieder ein.
Bis heute war sie sich unsicher gewesen, wie sie die Skulptur letztendlich gestalten wollte. Aber jetzt dämmerte eine Ahnung in ihr herauf …
Sie blieb einen Moment stehen, um kurz zu verschnaufen.
»Ricardo! Weswegen wurde Salomé als Hexe angeklagt?«
»Sie trieb Unzucht mit einem verheirateten Mann.«
»Wer war der Mann?«
Ricardo seufzte hörbar. »Der Mann war ich, Amanda! Ich war einflussreich als Bürgermeister des Städtchens. Als die Affäre aufflog, drehte ich die Sache zunächst so hin, dass Salomé Unzucht mit dem Teufel trieb. Und der wiederum stiftete sie dazu an, mich armes Unschuldslamm zu verführen. Um anschließend meine Seele mit in die Hölle nehmen zu können. Als Trophäe.«
Amanda konnte nicht anders, sie lachte spöttisch auf: »Und natürlich hat das arme Ding unter der Folter auch alles brav gestanden.«
»Natürlich. Ziemlich schnell sogar«, bestätigte Ricardo,während er pausenlos weiter den Berg hinaufwanderte.
Amanda hatte keine Wahl, sie musste ihm folgen. Vor allem, wenn sie das Ende der Geschichte hören wollte …
»Sie haben sie also verurteilt. Tod durch Verbrennen. Was geschah dann?«
»Ich spürte ein schlechtes Gewissen. Dann lief mir auch noch meine Frau mit einem anderen Mann davon. Ich sah das wohl als Gottes Warnung an. Und bekam eine ungeheure Angst davor, was wohl erst geschähe, wenn das arme Mädchen tatsächlich unschuldig brennen würde. Also ging ich hin und gestand.«
»Heiliger Bimbam!«
»Versündige dich nicht, Amanda. Allmählich mache ich mir wirklich Sorgen um dich.«
»Damit bist du nicht alleine. Ich mache mir auch Sorgen um mich. Mein Seitenstechen nimmt bedenkliche Ausmaße an, während du in deinem biblischen Alter den Berg bezwingst wie ein junger Gemsbock. Was absolut nicht fair ist.«
Wieder einmal musste Ricardo lachen über ihre freche Klappe, aber wenigstens gönnte er ihr nun wirklich eine nennenswerte Verschnaufpause.
Das gab ihr die Gelegenheit, noch ein bisschen weiterzubohren. »Dann haben sie also letztendlich dich, den wahren Verführer und Sündenbock verbrannt?«
»Genau! Es muss eine
Weitere Kostenlose Bücher