Die Liebesgöttin (German Edition)
der wenigen gerechtfertigten Scheiterhaufenstorys jener Zeit gewesen sein. Ich hatte das Urteil irgendwo verdient …«
»Tja, aber andererseits … wie viele Leute würdenwohl heutzutage brennen? Wollte man all die Frauen und Männer verurteilen, die außerehelichen Beischlaf betreiben?«, gab Amanda zu bedenken.
Ricardo lächelte, ehe er antwortete: »Andererseits habe ich dem Mädchen letztendlich das Leben gerettet und durch meinen eigenen grausamen Tod die Karmabilanz zwischen uns wieder ausgeglichen. Gut, sie wurde gefoltert wegen mir. Aber in gewisser Weise hatte auch sie eine Strafe verdient, weil ich nämlich wirklich der Verführte gewesen war. Ich wollte meiner Frau nicht untreu werden, hatte aber den direkten sexuellen Avancen des Mädchens auch nichts entgegenzusetzen.«
»Typisch Salomé! Dieses Verhalten hat sie sich bis ins heutige Leben bewahrt. Allmählich beginne ich, an diese Karmageschichten tatsächlich zu glauben.« Amanda krümmte sich vor Lachen. Prompt nahm das Seitenstechen wieder zu.
Ricardo bedachte sie mit einem vielsagenden, ein wenig traurigen Blick, der bis auf den Grund ihrer Seele zu dringen schien.
Amanda konnte es nicht verhindern. Sie schämte sich wieder einmal – Was war sie doch selbst für eine Hexe! Der alte Mann glaubte felsenfest an seine Theorien. Und im Grunde genommen gab es daran auch nichts auszusetzen. Wie oft er ihr schon in langen Gesprächen wieder auf die Füße geholfen hatte, bildlich gesprochen! Wenn sie etwa in ihrer künstlerischen Arbeit blockiert war. Und immerhin wollte sie heute erneut seine Hilfe in Anspruch nehmen. Wegen dieser verflixten Träume …
»Es tut mir Leid, Ricardo. Du weißt, ich meine es nicht so.«
»Du musst dich nicht entschuldigen. Niemand kann mich kränken. Ich mache mir bloß Sorgen um dich.«
»Lieb von dir. Lass uns weitergehen, ich bin unglaublich gespannt, was du mir heute zeigen willst.«
Sie setzten ihren Aufstieg schweigend fort. Nach etwa zehn Minuten erreichten sie schließlich eine Art Hochplateau, das von weißen Felsen eingerahmt und von hohen Bäumen beschattet wurde.
Von hier oben aus konnte man hinunterschauen bis zur Küste. Der Atlantik blinkte silberfarben in der Sonne. Weiter hinten in der Ferne zeichneten sich wieder einmal die schattenhaften Umrisse von Gomera ab.
Es herrschte eine seltsame, fast greifbare Stille hier oben. Kein Vogel war zu hören, keine Grille zirpte, kein Hundegebell drang von weither an die Ohren.
Es kam Amanda so vor, als hielte die Welt den Atem an.
Unwillkürlich fühlte sie sich unbehaglich. Ihre Ohren begannen zu sausen, das Atmen fiel ihr schwer. Außerdem machte sich in der Magengegend ein unangenehmer Druck breit. Sie erkannte die Symptome: Es fühlte sich an wie das Lampenfieber, welches sie oft überfiel. Wenn sie etwa in einer Galerie anlässlich einer Vernissage gebeten wurde, einige Worte zu ihren Werken zu sagen.
Sie wollte eben den Mund aufmachen, um Ricardo über ihre Eindrücke aufzuklären. Aber der Meister war bereits wieder auf dem Weg. Mit langen Schritten überquerteer eben das Felsenplateau. Also blieb Amanda nichts anderes übrig, als ihm zu folgen.
Mit jedem Schritt nahm die Beklemmung zu. Sie konnte nicht mehr atmen, wollte nach Ricardo rufen, aber die Stimme versagte ihr.
Ziemlich genau in der Mitte des Platzes sank Amanda einfach lautlos in sich zusammen. Sie hatte das Bewusstsein verloren.
13
S ie hörte eine Art Trommelwirbel, dumpf, aber kräftig geschlagen. Dazu im Hintergrund leises Stimmengemurmel.
Sie konnte nichts sehen und sich auch nicht bewegen. Sie vermutete, man habe ihr die Augen verbunden und sie gefesselt mit irgendwelchen Stofffetzen. Aber sicher war sie sich nicht.
Ihr Kopf fühlte sich an wie in Watte gepackt. Sie erinnerte sich, einen Trank bekommen zu haben, der seltsam bitter, aber auch angenehm erfrischend geschmeckt hatte.
Hinterher musste sie wohl eingeschlafen sein. Jedenfalls konnte sie sich an sonst weiter nichts erinnern.
Auch war ihr nicht klar, wo sie sich befand und warum. Irgendetwas Unheimliches ging da vor. Mit ihr und um sie herum, aber sie konnte nicht herausfinden, was. Ihr Kopf funktionierte nicht richtig!
Gedankenfetzen kamen und gingen, ließen sich aber nicht dingfest machen.
Sie fühlte sich verloren. Verloren in Raum und Zeit.
Und dann hörte sie plötzlich diese Männerstimme. Sie kannte diese Stimme, und sie jagte ihr dennoch – bei aller Vertrautheit – unsägliche Angst ein.
Einzelne
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