Die Liebeshandlung
Innenseite seiner Zimmertür. Doktorhüte stammten aus dem Mittelalter. Sie waren so alt wie
Die Wolke des Nichtwissens.
Darum sahen sie so lächerlich aus. Darum sah er so lächerlich aus, wenn er einen trug.
Er erinnerte sich an einen Ausspruch von Meister Eckhart: «Nur die Hand, die ausstreicht, kann das Wahre schreiben.»
Mitchell fragte sich, ob er sich selbst ausstreichen sollte oder seine Vergangenheit oder andere Leute oder was? Er war bereit, mit dem Ausstreichen anzufangen, sobald er wusste, was.
Als er in die Küche kam, kochte Larry, ebenfalls mit schwarzem Hut und Robe, gerade einen Kaffee. Leicht amüsiert schauten sie einander an.
«Auf jeden Fall, nimm einen Joint mit», sagte Mitchell.
***
Madeleine ging den langen Weg nach Hause zurück.
Sie war wütend auf Gott und die Welt – auf ihre Mutter, die sie überhaupt erst dazu gezwungen hatte, Mitchell an den Tisch zu holen, auf Leonard, weil er nicht anrief, aufs Wetter, weil es kalt war, und aufs College, weil es zu Ende ging.
Es war einfach unmöglich, mit Typen befreundet zu sein. Jeder, den sie irgendwann für einen Freund gehalten hatte, wollte am Ende etwas anderes oder hatte von Anfang an etwas anderes gewollt und unter einem Vorwand Freundschaft geschlossen.
Mitchell wollte sich rächen. Das war alles. Er wollte sie verletzen, und er kannte ihre wunden Punkte. Es war absurd von ihm zu sagen, er fühle sich geistig nicht von ihr angezogen. War er nicht die ganzen Jahre hinter ihr her gewesen? Hatte er ihr nicht gesagt, er liebe die Art, wie sie denke? Madeleine wusste, dass sie nicht so klug war wie Mitchell. Aber war Mitchell so klug wie Leonard? Wie sah es damit aus? Das war es, was sie Mitchell hätte sagen sollen. Statt heulend wegzulaufen, hätte sie darauf hinweisen sollen, Leonard sei mit ihrem Intelligenzniveau vollkommen zufrieden.
Dieser von Triumphgefühlen strahlende Gedanke verdüsterte sich, sobald ihr wieder in den Sinn kam, dass Leonard und sie kein Paar mehr waren.
Während sie durch die verzerrende Tränenflüssigkeit auf die Canal Street starrte – das Stoppschild brach sich in einem kubistischen Winkel –, erlaubte sie sich nochmals den verbotenen Wunsch, wieder mit Leonard zusammen zu sein. Ihr schien, wenn sie nur dieses Eine haben könnte, wären all ihre anderen Probleme zu ertragen.
Die Uhr an der Citizens Bank zeigte 8 : 47. Madeleine hatte noch eine Stunde Zeit, um sich die Robe anzuziehen und es den College Hill hinaufzuschaffen.
Ein Stück weiter tauchte der Fluss auf, grün und unbewegt. Einige Jahre zuvor war er in Brand geraten. Wochenlang hatte die Feuerwehr erfolglos versucht, die Flammen zu bekämpfen. Was die Frage aufwarf: Wie löscht man eigentlich einen brennenden Fluss? Was kann man tun, wenn der Hemmstoff zugleich der Beschleuniger ist?
Die liebeskranke Anglistik-Studentin sinnierte über die Symbolik davon.
In einem schmalen Streifen Park , den sie noch nie bemerkthatte, setzte Madeleine sich auf eine Bank. Natürliche Opiate fluteten ihren Kreislauf, und nach ein paar Minuten ging es ihr ein wenig besser. Sie tupfte sich die Tränen ab. Von nun an brauchte sie Mitchell, wenn sie es nicht wollte, nie wiederzusehen. Und auch nicht Leonard. Obwohl sie sich in diesem Moment mit Füßen getreten und verlassen vorkam und sie vor Scham verging, wusste Madeleine, dass sie noch jung war und ihr ganzes Leben vor sich hatte – ein Leben, in dem sie, wenn sie durchhielt, vielleicht etwas Besonderes erreichen würde – und dass Durchhalten auch bedeutete, mit Momenten wie diesem fertigzuwerden, Momenten, in denen andere einem das Gefühl vermittelten, klein und nicht liebenswert zu sein, und einem jedes Selbstvertrauen nahmen.
Sie verließ den Park, kehrte über einen kleinen, kopfsteingepflasterten Weg auf die Benefit Street zurück.
Am Narragansett angekommen, betrat sie die Eingangshalle und fuhr mit dem Aufzug nach oben. Sie war müde, dehydriert und brauchte immer noch dringend eine Dusche.
Als sie ihren Schlüssel in die Tür steckte, machte Abby von innen auf. Ihr Haar war unter den schwarzen Hut gestopft. «Hi! Wir dachten schon, wir müssten ohne dich gehen.»
«Tut mir leid», sagte Madeleine. «Meine Eltern brauchen ewig. Könnt ihr auf mich warten? Ich beeile mich auch.»
Im Wohnzimmer saß Olivia, die Füße auf dem Couchtisch, und lackierte sich die Zehennägel. Das Telefon begann zu klingeln, und Abby ging dran.
«Pookie hat behauptet, du wärst mit Thurston
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