Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Liebesluege

Titel: Die Liebesluege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sissi Flegel
Vom Netzwerk:
klirrte.
    »Die Zeit zwischen Fasching und Ostern ist schnell vergangen. Eben erst mussten die Wege in Villa Rosa vom Schnee freigeschaufelt werden, jetzt sind schon die Magnolien verblüht, und wenn ihr zwei Wochen später wieder anreist, hat sich bei uns überm See der Frühsommer eingestellt, und die Vorbereitungen für unser Fest stehen an.

    Ich freue mich, dass unsere Neuen, Elena und Charly, sich sehr gut eingelebt und Freunde gefunden haben. Sie sind eine Freude für mich und meine Kollegen; ihre Anwesenheit ist eine Bereicherung für unser Internat und ich denke, nein, ich bin sicher, sie werden sich immer mehr für unser gemeinschaftliches Leben einsetzen.«
    Elena fühlte, wie ihr das Blut ins Gesicht stieg. Sie warf einen Blick zu Charly hinüber; Charly war ebenfalls rot geworden und starrte auf die Hände in ihrem Schoß. Elena hoffte mit klopfendem Herzen, Professor Mori möge sich einem anderen Thema zuwenden.
    »Fünf Wochen sind unsere Neuen nun schon in Villa Rosa. Am ersten Abend hat Miss Reeves ihnen Mary Shelleys Geschichte von Frankenstein und seinem Geschöpf erzählt - dem Unglücklichen, der, weil er das Aussehen eines Monsters hatte, von niemandem geliebt wurde und deshalb auch seelisch zum Monster wurde.
    Inzwischen kennen unsere Neuen den Pavillon, sie haben erstaunliche, ich möchte fast sagen, geradezu übersinnliche Erscheinungen erlebt.«
    Die Lehrer schmunzelten, viele Schüler lachten.
    »Wie ihr alle gehört haben werdet«, fuhr Frau Professor Mori lächelnd fort, »soll es Dinge zwischen Himmel und Erde geben, die zu verstehen dem menschlichen Hirn nicht immer leicht fallen. Daran solltet ihr, Elena und Charly, denken, sollte euch etwas Überraschendes geschehen.«
    »Ihr wisst«, fuhr sie nach kurzem Innehalten fort, »was das zweite Halbjahr für euch bedeutet. Heiße Nachmittage im Freien, lange Wochenenden am Wasser, Schwimmen im See, Segeln, Wasserski, Wandern und Reisen. Und das Beste von allem: am Ende der herrlichen Zeit winken sechs Wochen Ferien.

    Doch nichts auf der Welt bekommt man geschenkt. Nach Ostern steht euch die Zeit der Klassenarbeiten bevor, die über Versetzung oder Nichtversetzung entscheiden - und damit über ein Jahr eures Lebens. Über ein ganzes Jahr, meine Lieben!
    Ich bitte euch, das zu bedenken, wenn ihr morgen in Ferien fahrt. Denkt nicht allein ans Feiern, Faulenzen und Vergnügen, denkt auch an die Zeit, die euch geschenkt ist. Nützt sie, damit sie zu eurem Nutzen ist.
    Meine Kolleginnen, Kollegen und ich wünschen euch frohe und fröhliche Tage. Kommt gesund und mit Freude zurück.«
    Alle klatschten, dann wurden Stühle gerückt, und in Windeseile leerte sich der Speiseraum.
    »Ich muss noch alles packen!«, rief Victoria. »Wir sehen uns beim Frühstück!«
    Während Charly Koffer und Reisetasche - auch sie hatte das Packen bis zum letzten Augenblick hinausgeschoben - vom Speicher holte, setzte sich Elena mit dem Handy ans Fenster. »Nützt die Zeit, damit sie euch von Nutzen ist«, hatte Professor Mori gesagt. Das war ihr durch Mark und Bein gegangen. Sie würde die Zeit nützen, denn endlich fühlte sie sich stark genug, um das Schlimme, das sie mit ihrer Lüge angerichtet hatte, angehen zu können. Sie zog ihr Handy aus der Tasche und rief die Nummer ihrer Schwester auf.

    HALLO STEFANIE! WILL MIT DIR REDEN. WANN KOMMST DU? ELENA

    Sie schickte die SMS ab und rannte hinaus, um sich mit Max zu treffen.

Kapitel 20

Mitternacht, 22. auf 23. März

    Elena wachte auf, denn jemand stöhnte. »Ohhh, ohhh …«
    »Charly, bist du das?«
    Elena war kalt. Sie tastete nach ihrer Decke. »Charly, was ist?«
    Ihre Decke war nicht da. Etwas kroch sacht über ihre Beine, sie zog sie an, erschauerte, fühlte die Gänsehaut und setzte sich auf. Das Stöhnen wurde lauter, drängender.
    »Ohhh, ohhhh, ohhh!«
    »Charly?«
    Elena strich die Haare aus dem Gesicht. Jemand fasste ihre Beine an, schwang sie über die Bettkante.
    »Ohhh, ohhh, ohhh …«
    »Nicht«, flüsterte Elena. »Bitte …«
    »Elena?«, hörte sie Charlys Stimme. »Elena! So sag doch was!«
    »Ohhh, ohhh, ohhh …«
    Elena blinzelte. Neben ihrem Bett stand ein Gespenst. Ein weißes Gespenst mit riesigen leeren schwarzen Augenhöhlen. Es beugte sich über sie und streifte ihr Schuhe über die Füße.
    »Ohhh«, machte das Gespenst, griff nach ihren Händen und zog sie hoch. »Ohhh, ohhh …«

    Elena war viel zu verwirrt, um sich zur Wehr zu setzen. Sie schüttelte den Kopf. »Neiiin!«,

Weitere Kostenlose Bücher