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Die Lieferung - Roman

Die Lieferung - Roman

Titel: Die Lieferung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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sollte sie etwas essen, oder zumindest was trinken, wie es der alte Mann gesagt hatte. Bei dieser Hitze ist es wichtig, ausreichend zu trinken . Von einem Mann, der auf einem grünen Karren Süßigkeiten, Postkarten und Bernsteinschmuck anbot, kaufte sie einen kleinen Tetrapak Orangensaft zu Touristenpreisen. Der Saft war lauwarm und schmeckte nicht besonders, und die Säure brannte in ihrer wunden Speiseröhre.
    Sie finden ihn, redete sie sich ein. Sie finden ihn, ihm ist nichts passiert.
    Ihre Worte überzeugten sie aber nicht. Sie war kein Mensch mit ausgeprägter Fantasie. Es fiel ihr leichter, sich Zahlen und
Fakten zu merken, als sich Orte vorzustellen, an denen sie niemals gewesen war, oder Personen, denen sie noch nie begegnet war. Sie las so gut wie keine Romane und sah nur die Filme, die im Fernsehen liefen.
    Aber in diesem Moment sah sie Mikas vor sich. Mikas in einem Auto, versteckt unter einer Decke. Mikas, der strampelte und weinte, weil fremde Menschen ihn festhielten. Mikas, der nach seiner Mutter rief und keine Antwort bekam.
    Was hatten sie mit ihm vor? Warum hatten sie ihn ihr geraubt?
    Die Beine gaben unter ihr nach. Sie setzte sich auf die Steintreppe, die zum Fluss hinunterführte. Vor einigen Jahren hatte die Stadtverwaltung hier ein paar Bänke aufgestellt, aber als diese zum Sammelplatz für Drogenabhängige wurden, entfernte man die Sitze, so dass nur noch die galvanisierten Metallbeine aus den Betonpfeilern ragten. Die Neris floss träge und schlammbraun durch ihr Betonbett, ein sommerzahmes Rinnsal verglichen mit den Wassermassen des Winters.
     
    In jenem Sommer, ihrem ersten Sommer mit Darius, war der Fluss ihr heimlicher Treffpunkt gewesen. Folgte man dem Ufer und entfernte sich weit genug von der Brücke, endete der asphaltierte Weg irgendwann und führte nur noch als schmaler schlammiger Pfad durchs Schilf. Es schwirrte nur so von Insekten, Milben und kleinen schwarzen Fliegen, aber dort begegnete einem kein Mensch, was in Tauragė Seltenheitswert hatte. Und man konnte baden. Zusammen.
    Sie kannte keinen Jungen, der so war wie er. Die anderen waren so zurückgeblieben - lachten über jeden Blödsinn und malten Pimmel auf die Schulbücher der Mädchen, wenn sie sie in die Finger bekamen. Mildas großer Bruder hatte ihr einmal in die Brust gekniffen und sie zu küssen versucht, aber er war mindestens so dumm wie Milda, nur auf eine andere Art.
    Darius war völlig anders. Er war lässig und selbstbewusst und wirkte viel erwachsener auf sie als all die anderen. Er sagte, seine Eltern hätten ihn nach dem Fliegerhelden Steponas Darius benannt und nach einer Hauptstraße in Tauragė, Dariaus ir Girėno gatvė. Das passte, fand sie. Sie konnte sich gut vorstellen, dass Darius eines Tages Großes vollbringen würde.
    Als er ihr die Bluse ausziehen wollte, verkrampfte sie sich. Da legte er ihr stattdessen beide Hände um die Taille.
    »Ich komme mit meinen Fingern fast ganz rum«, sagte er.
    Ein Schauer durchrieselte sie, der nichts mit Kälte zu tun hatte. Seine Hände glitten unter ihre Bluse und streiften wie zufällig ihre Brüste. Sie legte den Kopf in den Nacken und schaute in die Sonne. Lass das, sagte Großmutter Julijas Stimme in einem abgelegenen Winkel ihres Gehirns, davon kann man blind werden. Aber sie ließ sich noch einen Augenblick blenden, ehe sie die Augen schloss. Ihre Finger legten sich fest auf seinen Hemdrücken, und seine Zunge berührte ihre Zunge, und dann die Innenseite ihrer Lippen, ihres Mundes. Er hatte die Bluse aufgegeben und widmete sich nun ihrem Rock und ihrer Unterhose. Als sie aus dem Gleichgewicht geriet und stolperte, hielt er sie nicht fest, sondern ließ sich ebenfalls in den Matsch des seichten Ufers fallen, mehr oder weniger über sie. Er lag mit seinem ganzen Gewicht auf ihr, und es verschlug ihr den Atem, was er als Zustimmung interpretierte.
    »Du bist so schön«, flüsterte er und schob ihre Schenkel auseinander.
    Sie hätte ihn bremsen können. Aber sie wollte es doch auch. Ihr Körper wollte es. Selbst ihr Kopf wollte es irgendwie. Sie wollte wissen, wie das war - das mit der Sünde. Und es gefiel ihr gut, dass sie gar nichts zu tun brauchte, sondern alles ihm überlassen konnte. Sie rechnete damit, dass es wehtun würde, darüber hatten sie sich öfter flüsternd auf der Mädchentoilette
unterhalten, das erste Mal sollte schwierig und schmerzhaft sein.
    Aber das war es nicht. Es war fast zu einfach, und so richtig, von seinem Gewicht in den

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