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Die Lieferung - Roman

Die Lieferung - Roman

Titel: Die Lieferung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Sie hatte den Blick auf den Boden gerichtet.
    Als sie Sigita erblickte, blieb sie stehen.
    »Ich musste einfach kommen«, sagte sie. »Aleksas wollte nichts davon hören, also habe ich gewartet, bis er eingeschlafen war. Ich musste einfach kommen.«
    »Kommen Sie rein«, bat Sigita.

     
    Ist doch verrückt , dass man »Nehmen Sie doch Platz« oder »Möchten Sie eine Tasse Kaffee?« sagen kann, auch wenn es um Leben und Tod und Herzblut geht, dachte Sigita.
    »Darf ich Sie Sigita nennen?«, fragte Julija und drehte nervös die Kaffeetasse in den Händen. »Ich habe Sie noch immer so in Erinnerung, auch wenn Sie inzwischen erwachsen sind.«
    »Ja«, antwortete Sigita. Sie hatte sich auf die vorderste Kante des Sessels gesetzt und ballte die rechte Hand so fest, dass sich ihre Nägel in die Haut bohrten. Trotzdem wartete sie ab, weil sie wusste, dass sie die Frau auf dem Sofa nicht unter Druck setzen durfte. Plötzlich musste sie an Großvaters Brieftauben denken. Manchmal waren sie auf dem Dach gelandet und hatten sich geweigert, in den Taubenschlag zu fliegen, so dass ihre gestoppte Zeit um viele Minuten schlechter ausfiel, als sie es eigentlich war.
    »Es ist sinnlos, sie anzutreiben«, sagte Großvater dann. »Setz dich auf die Bank, Sigita, sie kommen, wenn sie kommen.«
    Großvater starb 1991, im Jahr der Unabhängigkeit. Großmutter Julija konnte den Brieftauben nichts abgewinnen. Sie verkaufte einige an ihren Nachbarn und überließ die anderen sich selbst, bis das Dach des Taubenschlages vor sechs oder sieben Jahren einem Sturm zum Opfer fiel.
    Sigita betrachtete Julija und zwang sich selbst zur Ruhe.
    »Sie dürfen der Polizei nicht sagen, dass ich bei Ihnen war«, bat Julija schließlich. »Versprechen Sie mir das?«

    Sigita versprach es. Aber ihre Beteuerung reichte Julija noch nicht.
    »Er war so wütend, weil wir damals zur Polizei gegangen sind, und er sagte, es sei unsere Schuld, dass er Zita wehtun müsse.« Die Hand mit der Kaffeetasse zitterte.
    »Ich werde nichts sagen«, antwortete Sigita.
    »Sie müssen es mir versprechen.«
    »Versprochen.«
    Julija ließ Sigita nicht aus den Augen. Dann stellte sie plötzlich die Tasse ab, griff sich hinter den Nacken und nahm ihre Kette ab. Ein Kreuz, dachte Sigita. Nein, ein Kruzifix. Eine kleine goldene Jesusfigur an einem schwarzen Holzkreuz.
    »Glauben Sie an Gott?«, fragte Julija.
    »Ja«, antwortete Sigita, denn jetzt war nicht die Zeit für eine längere Diskussion über Glauben oder Zweifel.
    »Dann schwören Sie auf dieses Kreuz. Berühren Sie es. Und geloben Sie mir noch einmal, nicht zur Polizei zu gehen mit dem, was ich Ihnen jetzt sage.«
    Vorsichtig legte Sigita ihre Hand auf das Kreuz und versprach es noch einmal. Sie war sich nicht sicher, ob ihr Versprechen durch das Kruzifix für sie nun mehr Gewicht hatte, aber Julija schien es ganz offensichtlich zu beruhigen.
    »Er hat uns einen Briefumschlag geschickt, um uns zu zeigen, zu welcher Untat wir ihn gezwungen hatten. Einen Umschlag mit Zitas Fingernagel. Ich wusste sofort, dass es ihrer war, denn ich hatte ihr tags zuvor erlaubt, meinen Nagellack zu benutzen.« Julijas Stimme wurde brüchig. »Er hat uns gedroht, Zita noch einmal zu entführen und an Männer zu verkaufen, an Leute, die er kennt, sollten wir im Nachhinein zur Polizei gehen. Sie wissen schon, was für Männer.«
    In Sigita brach etwas zusammen.
    »Aber, Julija«, sagte sie dann, »wenn er im Gefängnis sitzt, kann er Zita doch nichts antun.«

    Julija schüttelte den Kopf.
    »Glauben Sie, dass ich dieses Risiko eingehe? Er sitzt ja nicht ewig im Gefängnis! Außerdem ist der nicht allein, das weiß ich.«
    Sigita wurde klar, wie erstaunlich es war, dass Julija überhaupt zu ihr gekommen war.
    »Ich wusste ja nicht, was er vorhatte«, flüsterte Julija, als hätte sie Sigitas Gedanken gelesen. »Ich wusste ja nicht, dass er sich Ihr Kind holen wollte.«
    »Aber Sie haben Zita zurückbekommen«, sagte Sigita. »Wie haben Sie das geschafft?«
    Julija schwieg so lange, dass Sigita schon nicht mehr an eine Antwort glaubte.
    »Ich habe Sie verraten«, flüsterte sie dann. »Er wollte Ihren Namen wissen, und den habe ich ihm gegeben.«
    Sigita starrte Julija verständnislos an.
    »Wie ich heiße …?«
    »Wir registrieren die Mädchen nicht, verstehen Sie? In der Klinik, meine ich. Die Namen stehen nirgendwo, denn die Eltern - also die neuen Eltern - bekommen ja eine Geburtsurkunde, so dass alles so aussieht, als wären es ihre

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