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Die Lieferung - Roman

Die Lieferung - Roman

Titel: Die Lieferung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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ziemlich extravagant?«
    »Meine Zeit ist mein kostbarster Besitz. Ich kann es mir nicht leisten, für jede Blutprobe Stunden im Wartezimmer des Rikshospitals zu verbringen. Glauben Sie mir, Karins Gehalt war für mich eine äußerst vernünftige Investition.«
    »Na gut. Wie war Ihr Verhältnis zu Karin Kongsted?«
    »Gut. Sie war ein sehr warmherziger und freundlicher Mensch.«
    »Wie warmherzig?«
    Jan wurde aus seinem Dämmerzustand gerissen. Diese Frage war neu.
    »Wie meinen Sie das?«
    »Hatten Sie ein Verhältnis mit ihr? Ein bisschen Krankenschwesternsex, wenn die Frau nicht zu Hause ist? Soweit ich weiß, haben Sie unter einem Dach gewohnt.«

    Jan starrte den 60-jährigen Zugführer-Doppelgänger mit offenem Mund an. Was für eine bizarre Situation. Das Mienenspiel seines Gegenübers hatte sich nicht eine Nuance verändert.
    »Das … Nein. Verdammt noch mal, ich bin schließlich verheiratet!«
    »Viele Menschen sind verheiratet. Was 70 Prozent von ihnen trotzdem nicht davon abhält, fremdzugehen. Sie und Frau Kongsted gehören also nicht dazu?«
    »Nein, habe ich gesagt!«
    »Und da sind Sie ganz sicher?«
    Jan brach der Schweiß in den Handflächen und am Haaransatz aus. Wussten sie etwas? War es besser, es zuzugeben oder an der Lüge festzuhalten? Wussten sie was, oder blufften sie nur?
    Schlagartig wurde ihm bewusst, dass er zu lange gezögert hatte.
    »Es war nur eine kurze Affäre«, sagte er. »Ich glaube, ich wurde überrumpelt von … ich weiß auch nicht. Haben Sie jemals eine Operation auf Leben und Tod gehabt?«
    »Nein«, antwortete der Zugführer. »Vielleicht wird man etwas übermütig, wenn man so etwas überlebt.«
    »Und in so einem Anfall von Übermut haben Sie dann ein Verhältnis mit Karin Kongsted angefangen?«
    »Nein, so würde ich es nicht nennen. Kein Verhältnis. Ich denke, wir waren uns beide darüber im Klaren, dass es eigentlich ein Fehler war. Und keiner von uns beiden wollte Anne wehtun.«
    »Ihre Frau wusste also nichts von dem Verhältnis.«
    »Hören Sie doch auf, das war kein Verhältnis. Höchstens ein … ach, das klingt so billig, es einen Seitensprung zu nennen, aber Sie wissen, was ich meine.«

    »Da bin ich mir nicht so sicher, Herr Marquart. Wovon reden wir? Von einem Mal? Einer Woche? Ein paar Monaten? Wie lange haben Sie gebraucht, um herauszufinden, dass es ein ›Fehler‹ war? Und sind Sie sicher, dass Frau Kongsted sich ebenfalls darüber im Klaren war, dass es sich nicht um ein Verhältnis handelte, obwohl sie Sex mit Ihnen hatte?«
    Er versuchte, die Ruhe zu bewahren, aber es kam ihm vor, als würde sein Gegenüber ihn mit höchster Präzision mit einer Akupunkturnadel bearbeiten.
    »Sie drehen mir das Wort im Munde um«, sagte er. »Karin war eine warmherzige, sehr weibliche Frau, aber ich bin mir sicher, dass sie verstanden hat, was meine Ehe für mich bedeutet.«
    »So ein Glück. Weiß Ihre Frau das auch?«
    »Selbstverständlich! Oder … Nein, ich habe Anne nicht … von der Episode mit Karin erzählt. Und ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie das auch nicht täten. Anne ist sehr labil.«
    »Dann wollen wir mal hoffen, dass das nicht nötig sein wird. Können Sie mir sagen, wieso Karin Kongsted gestern so plötzlich das Haus verlassen hat?«
    »Nein. Ich … Ich war, wie gesagt, selber nicht zu Hause. Aber da sie in das Ferienhaus gefahren ist, gehe ich davon aus, dass sie vielleicht ein paar freie Tage brauchte.«
    »Wollen Sie damit sagen, dass Sie das hier nicht gesehen haben?« Kvistgård legte eine Plastikhülle vor Jan auf den Tisch. Darin lag Karins Zettel mit den zwei nüchternen Worten: ICH KÜNDIGE.
    Jan zwang sich zu einem Lächeln.
    »Das habe ich nicht ernst genommen. Ehrlich gesagt habe ich es für einen Scherz gehalten. Sie hatte sich beklagt, dass es zu warm zum Arbeiten wäre … wie gesagt, ich dachte, sie hätte sich einfach ein paar Tage freigenommen und mir das auf eine etwas … etwas unkonventionelle Art mitgeteilt.«

    »Ihre Frau meinte, Karin Kongsted habe aufgewühlt gewirkt, als sie wegfuhr.«
    »Ist das so? Dazu kann ich nichts sagen. Ich war, wie gesagt, nicht selber dort.«
    »Nein. Aber Sie haben SecuriTrack angerufen, um das Auto zu lokalisieren, mit dem sie weggefahren ist. Warum haben Sie das getan, Herr Marquart?«
    Das Blut rauschte ihm in den Ohren. Ihm wurde bewusst, dass er noch immer mit einem steifen Lächeln im Gesicht dasaß, aber ihm war auch klar, dass jede Illusion von Natürlichkeit längst verpufft

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