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Die Lieferung - Roman

Die Lieferung - Roman

Titel: Die Lieferung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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ebenso ängstlich an wie der Junge.
    »Es ist schließlich auch deinetwegen«, sagte er.
    Sie nickte gehorsam.
    Er rollte den schlaffen Körper der dünnen Frau in die karierte Decke und öffnete die Tür zum Treppenhaus einen Spaltbreit. Glücklicherweise war es noch immer leer. Er überlegte sich, was er sagen sollte, falls ihm jemand begegnete - dass sie gestürzt war und er sie ins Krankenhaus brachte? Aber es kam niemand. Er legte sie hinten in den Mitsubishi und breitete die Decke über sie. So weit, so gut.
    Als er wieder in die Wohnung kam, hörte er Barbara auf den Jungen einreden, nicht auf Litauisch, sondern auf Polnisch.
    »Lass das«, sagte er. »Er versteht doch kein Wort.«
    Genauso wenig wie er. Er konnte es nicht leiden, wenn Barbara Polnisch sprach. In diesen Momenten wurde ihm immer
bewusst, dass er zu einem Teil von ihr keinen Zugang hatte. Plötzlich kam ihm in den Sinn, dass sie, wenn sie nach Krakau zogen, nur noch Polnisch reden würde. Mit allen anderen außer ihm.
    Wieso hatte er nicht eher daran gedacht? Der Gedanke war ihm einfach nie gekommen. Immer hatte er nur an das Haus gedacht, an Barbara, und an das Leben, das sie dort zusammen leben wollten und das der Däne ihnen ermöglichen sollte. Der Däne und sein fettes Geld. Er erinnerte sich ganz genau an das kribbelige Gefühl des Triumphs, als ihm damals aufging, wie sie es anstellen mussten. Und dass es im Grunde genommen ein Kinderspiel war.
    Klimka hatte ihn als Leibwächter für den Dänen eingesetzt und ihm eingeschärft, keine Nummer daraus zu machen. Der Mann war ein guter Stammkunde, mit Geschäftspartnern sowohl in Vilnius als auch ein paar Orten in Lettland. Und er bezahlte Klimka anständig dafür, die Haie auf Abstand zu halten. Jetzt war er persönlich in Vilnius und wollte für seinen Aufenthalt einen diskreten Leibwächter.
    Also hatte Jučas das Kindermädchen gespielt, von dem Zeitpunkt an, in dem er das Flugzeug mit einem lächerlich kleinen Rollkoffer verließ, der außer ein paar persönlichen Sachen eine unglaubliche Menge amerikanischer Dollars enthielt. Sie waren in eine Art Privatklinik gefahren, und dort hatte der Däne versucht, Informationen über ein litauisches Mädchen zu bekommen, das offenbar vor etlichen Jahren ein Kind in der Klinik zur Welt gebracht hatte. Als Jučas gesehen hatte, wie viel Geld der Mann der Klinikleiterin bot, war er nervös geworden. Der Däne schien sich überhaupt nicht im Klaren darüber zu sein, womit er da rumwedelte. Ein Zehntel des Betrages hätte dicke gereicht, wäre eigentlich schon übertrieben gewesen. Es wurden Leute für viel weniger ermordet.
    Er rief Klimka an und forderte Verstärkung, doch Klimka
lehnte ab. Der Däne hatte ausdrücklich um einen Leibwächter gebeten. Jučas musste bis auf Weiteres alleine klarkommen. Nur wenn sich etwas zusammenbraute, sollte er anrufen.
    Klar, dachte Jučas, wenn der Kuhfladen mit dem Ventilator kollidiert, bleibt noch jede Menge Zeit. Also hatte er sorgfältig auf den Dänen aufgepasst und anfangs überhaupt nicht mitbekommen, was dieser für Geschäfte laufen hatte. Als die Krankenschwester in der Klinik dem Mann dann sozusagen die Tür vor der Nase zuschlug und er unverrichteter Dinge ins Hotel zurückfahren musste, hatte Jučas erleichtert aufgeatmet. Je eher die Arbeit erledigt war, desto besser.
    Aber er hatte sich zu früh gefreut. In einem Anfall von Frust trank der Mann zuerst den gesamten Inhalt der Minibar leer und ging dann in die Hotelbar. Doch er war bereits so betrunken, dass der Barkeeper sich weigerte, ihm noch etwas auszuschenken. Der Idiot gab sich damit aber nicht zufrieden, sondern torkelte auf die Straße. Zwar glücklicherweise ohne den Geldkoffer, aber trotzdem mit so viel Bargeld in der Brieftasche, dass er richtig in der Scheiße landen konnte. Jučas blieb keine andere Wahl, als ihm fluchend zu folgen.
    Das war der Beginn einer sehr langen Nacht gewesen. Mit jedem Glas, das der Däne zu sich nahm, war die Geschichte aus ihm herausgekommen. Stück für Stück, zwischen den Drinks. Und Jučas hörte zu, anfangs gleichgültig, dann mit wachsendem Interesse, bis in seinem Hirn vage Pläne Form annahmen.
    Als er früh am nächsten Morgen einen wohlbehaltenen, wenn auch schwer verkaterten Mann in das kleine Privatflugzeug setzte, regten sich fast zärtliche Gefühle in ihm, als er dem Dänen den Gurt anlegte, dafür sorgte, dass die Kotztüte griffbereit neben ihm lag, und ihm zum Abschied die Hand

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