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Die Lieferung - Roman

Die Lieferung - Roman

Titel: Die Lieferung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Cornflakes für Mikas und streute einen Extralöffel Zucker darüber. Der Junge hatte kaum etwas zu sich genommen, seit sie mit ihm zusammen war, nur ein Stückchen Eiswaffel, ein halbes Brötchen und eine trockene Scheibe Toastbrot. Er musste mindestens so weiche Knie haben wie sie. Sie fühlte diesen seltsam leichten Schwindel, wie immer, wenn sie lange nichts gegessen hatte. Ihr war so flau, dass ihre Beine jeden Augenblick unter ihr nachzugeben drohten, als sie Roggenbrot und Aufschnitt aus dem Kühlschrank nahm und dicke Scheiben von der Salami schnitt. Sie machte sich ein paar Salami-Sandwiches und balancierte sie mit den Cornflakes und einem Glas Milch zu Mikas ins Wohnzimmer, wobei sich ein wunderbar flimmriges Glücksgefühl in ihrem Bauch ausbreitete. Es war fantastisch, wieder zu Hause zu sein. Jetzt fehlten nur noch Morten und die Kinder.
    Aber das hatte keine Eile. Und es hatte auch keine Eile, dass sie die Polizei informierte.
    Sie stellte die Schale mit den Cornflakes vor Mikas auf den Tisch und ließ sich in einen der weichen Sessel fallen. Dann schloss sie die Augen und ließ sich langsam treiben, während sie genussvoll das saftige Roggenbrot mit Salami kaute.
    Später stand sie auf und ging ins Schlafzimmer, um ihr verschwitztes T-Shirt gegen ein kühles, frisches Hemd einzutauschen.
Mikas klapperte im Wohnzimmer mit dem Löffel in der Cornflakesschale.
     
    Es klingelte an der Tür.
    Es war nicht der gedämpfte Ton der Gegensprechanlage, sondern die Klingel der Wohnungstür mit ihrem klassischen, eindringlichen Schellen. Anton benutzte sie gern, um sein Eintreffen in der Wohnung anzukündigen, aber normalerweise veranstaltete er auf der Treppe schon einen solchen Radau, dass sowieso das ganze Haus Bescheid wusste. Wahrscheinlich hatte ihre Nachbarin Birgit doch bemerkt, dass Nina nach Hause gekommen war.
    Sie wusste sicher längst, dass die Polizei nach Nina suchte. Birgit war nett, aber höllisch neugierig, und Nina hatte sich manches Mal dickere Wände zwischen den Wohnungen gewünscht. So wie jetzt, da sie Mikas gern noch ein paar Augenblicke für sich allein gehabt hätte.
    Sie ging in den Flur und hatte bereits die Hand auf der Klinke, als etwas sie innehalten ließ. Irgendwie war es zu still auf der anderen Seite der Tür. Anton wäre auf und ab gehüpft und Birgit auf dem Treppenabsatz hin und her gelaufen, während sie ihren Kindern durch die offen stehende Tür der eigenen Wohnung etwas zurief. Aber jetzt war kein einziger Laut zu hören. Kein Getrippel auf dem Treppenabsatz, kein Räuspern, kein Naseputzen. Diese Stille war nicht natürlich. Mehr konnte Nina in diesem Moment nicht denken.
    Instinktiv legte sie die Sicherheitskette vor und öffnete die Tür so weit, dass sie ins Treppenhaus gucken konnte. Die schlanke, blonde Frau vor der Tür lächelte freundlich und sah sie verlegen an.
    »Please«, sagte sie schließlich und beugte sich leicht vor. »I think you know my son. I’m Mikas’ mother. Can I come in?«
    Der kurze Film aus dem Auto spulte sich erneut in Ninas
Kopf ab. Mikas’ Mutter, die ihre Hand drückte und ihr dankte, wie nur eine Mutter einer anderen Mutter danken konnte. Das war jetzt also das Happy End.
    Schon als sie die Sicherheitskette löste, wusste sie, dass etwas nicht stimmte. Die Frau schob die Tür auf, immer noch freundlich und fast entschuldigend lächelnd. Als wollte sie eigentlich gar nicht reinkommen, dachte Nina und registrierte im gleichen Moment, dass Mikas auf den Flur gekommen war. Er stand hinter ihr mit seinen schicken neuen Sandalen in einer Pfütze aus dunkelgelbem Urin, in den Händen die Cornflakesschale.
    Die Frau lächelte ihn an und streckte ihm eine Hand entgegen, doch der Junge zuckte zusammen und ließ die Schale mit einem dumpfen Knall auf den abgeschliffenen Holzboden fallen.
    In diesem Moment sah Nina den Mann hinter der blonden Frau.
    Er musste sich auf dem Treppenabsatz versteckt haben. Jetzt füllte er die Türöffnung mit seinen breiten Schultern und der viel zu warmen Lederjacke. Sie erkannte ihn augenblicklich wieder. Der Nazihaarschnitt, die rasende Wut in seinen Augen und die großen, zu Fäusten geballten Hände. In der einen Hand hielt er eine glänzend schwarze Pistole. Er hatte es nicht sonderlich eilig, registrierte Nina. Seine Bewegungen waren beherrscht und präzise, wie bei einem Menschen, der etwas tut, was er schon tausendmal getan hat. Mit einem einzigen energischen Schritt war er in der Wohnung. Danach nahm er

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