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Die Lieferung - Roman

Die Lieferung - Roman

Titel: Die Lieferung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Untergeschoss. Auch das Tor der Garage stand weit offen. Der Platz reichte für fünf bis sechs Autos, es parkten aber nur zwei Wagen dort: ein dunkelblauer Audi Kombi und ein niedriger Sportwagen, der mit einer verstaubten Persenning geschützt war. Er stellte seinen Wagen neben dem Kombi ab und schaltete den Motor aus.
    Das Kind hatte während der ganzen Fahrt still dagesessen, ohne ihn anzusehen. Mitunter war ein leises Wimmern von ihm zu hören. Er schrie oder heulte nicht, aber das unterdrückte Schluchzen war fast noch schwerer zu ertragen. Jučas hätte dem Jungen am liebsten gesagt, dass er nicht vorhatte, ihm etwas anzutun, aber das ging nicht. Er wusste nur zu gut, dass er von nun an das Monster in den Alpträumen dieses Kindes sein würde. Und Barbara? Wie sollte er den Blick deuten, den sie ihm zum Schluss zugeworfen hatte? Hatte sie Angst vor ihm? Verdammt. Ich tue doch Frauen und Kindern nichts an.

    Völlig unwillkommen tauchte plötzlich wieder die Blonde in seinem Kopf auf. Wie sie zusammengekauert auf dem Bett gelegen und ihn mit blinden Augen angesehen hatte. Er hörte wieder ihr Rufen, unsicher und schwach: »Ni-na, Ni-na.«
    Er saß einen Moment lang reglos da, die Hände auf dem Lenkrad. Verdammt, dachte er. Was nützte es, vor Klimka und einer Welt zu fliehen, in der die Angst eine Keule war, mit der man die Menschen gefügig machte? Was nützte es, von Krakau und einem Haus mit Garten zu träumen, in dem Barbara auf einer Steppdecke lag und ein Sonnenbad nahm, wenn man doch all diese Scheiße mit sich rumschleppte?
    Er stieg aus dem Wagen aus und nahm alle Wut zusammen, die in ihm steckte, denn nur sie konnte ihm jetzt weiterhelfen. Er öffnete die Heckklappe und warf einen Blick auf die Frau, die noch immer regungslos dalag. Diese dämliche Schlampe, dachte er kalt. Sie war an allem schuld, sie und dieses Schwein, das ihn um sein Geld betrogen hatte. Sie allein hatten das zu verantworten und durften nicht davonkommen. You don’t fuck with me.
    Und die Wut kam. Wie eine Hitzewelle schwappte sie durch seinen Körper, ließ Hände und Füße wohlig kribbeln und leicht zittern. Jetzt, da sie ohnehin wie ein lebloses Ding dalag, war es am einfachsten. Er nahm die Plastiktüte und leerte Barbaras Einkauf aus - Bananen, warme Cola und irgendeine Seife, deren Rosenduft ihr gefallen hatte. Er hatte keine Lust, die Frau zu berühren, kletterte aber trotzdem neben ihr ins Auto. Dann packte er sie an der Schulter und zog sie zu sich. Sie wog fast nichts, dachte er, kaum mehr als ein Kind. Er streifte ihr die Plastiktüte über den Kopf, hatte aber nichts, um die Tüte zuzubinden, so dass er die Enden einfach um ihren Hals zusammenknotete. Als er sah, wie das Plastik bei jedem Atemzug an ihr Gesicht gesaugt wurde, wusste er, dass es reichen würde. Wenn er zurückkam, würde es vorbei sein.

    Er stieß sie von sich wie etwas Ekliges, das ihm an den Fingern kleben geblieben war. Dann deckte er sie mit der Decke zu und kroch aus dem Wagen. Jetzt kriegte sie, was sie verdiente, sagte er zu sich selbst und klammerte sich an seine Wut. Aber es war nicht ihr Gesicht, das er vor sich sah, als er das Garagentor schloss. In der jähen Dunkelheit erschien ihm ein ganz anderes, die Fratze des Schweins, dieses miesen Schweins im Heim, das kleine Jungs an die nassen, kalten Kellerwände unten im Halbdunkel stieß, wo es nach Pisse, Öl und den ungewaschenen Körpern alter Männer stank.
    Drecksau, dachte er. Das waren alles Schweine, denen musste er zeigen, dass sie so etwas nicht mit ihm machen konnten. Nicht mit ihm. Er fand einen Lichtschalter und machte das Licht an, bis er fand, was er suchte - den automatischen Toröffner, den diese reichen Schweine natürlich hatten. Er packte die Kabel, holte tief Luft und riss daran. Die Leitungen lösten sich ohne großen Widerstand aus der Verteilerbox, und der unisolierte Kupferdraht hing heraus. So weit, so gut, sagte er zu sich selbst.
    Es gab nur eine Tür, die vermutlich ins Innere des Hauses führte. Sie war verschlossen. Er überlegte, ob er sie aufbrechen sollte, entschied sich dann aber, einfach zu klingeln und darauf zu warten, dass man ihn hereinließ. Er warf einen letzten, raschen Blick zum Auto. Das Kind saß wie eine Puppe auf seinem Kindersitz und starrte ihn durch die Windschutzscheibe an. Jučas schlug mit der Hand auf den Lichtschalter und löschte das Licht, so dass der Junge und das Auto im Dunkel der Garage verschwanden.

     
    Sigita zitterte am

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