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Die Lilie im Tal (German Edition)

Die Lilie im Tal (German Edition)

Titel: Die Lilie im Tal (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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beneiden, was soll ich Ihnen Neues von diesen weißen Sirenen sagen, die scheinbar undurchdringlich und doch so leicht zu erforschen sind, die sich einbilden, Liebe genügte der Liebe, die den Spleen in die Freuden hineintragen, weil sie keine Abwechslung darin kennen, deren Seele nur einen Ton, deren Stimme nur einen Laut hat. Ozeane der Liebe, die der nicht kennt, der nicht in ihnen geschwommen hat. Dem wird etwas von der Poesie der Sinne stets verborgen bleiben, wie dem, der das Meer nicht gesehen hat, einige Saiten auf seiner Leier fehlen. Sie wissen, wohin ich mit diesen Worten hinaus will. Mein Abenteuer mit der Marquise Dudley gewann eine verhängnisvolle Berühmtheit. Ich war in einem Alter, wo die Sinne entscheidend auf unsere Entschlüsse einwirken. Ich war jung und meine Glut gewaltsam zurückgedrängt. Trotzdem leuchtete das Bild der Heiligen, die in Clochegourde ihr langsames Martyrium erlitt, in so hellem Glanz, daß ich den Versuchungen zu widerstehen vermochte. Diese Treue war der Nimbus, der Lady Arabellas Aufmerksamkeit auf mich lenkte. Mein Widerstand reizte ihre Leidenschaft. Was sie, wie so viele Engländerinnen, wünschte, war das Glänzende, das Außergewöhnliche; sie wollte Pfeffer, scharfe Gewürze für die Speise ihres Herzens, wie viele Engländer, um ihren Geschmack zu reizen, pikante Zutaten zur Kost lieben. Die Farblosigkeit, worein eine stete Vollkommenheit aller Dinge das Leben dieser Frauen taucht, eine methodische Gleichmäßigkeit in den Gewohnheiten führt sie dahin, das Romantische und das schwer Erreichbare anzubeten. Ich verstand diesen Charakter nicht. Je mehr ich mich hinter kalte Geringschätzung verschanzte, desto leidenschaftlicher wurde Lady Dudley. Dieser Kampf, an den sie ihre ganze Ehre setzte, erregte die Aufmerksamkeit einiger Salons; das war für sie ein erstes Glück, das sie moralisch zum Siege verpflichtete. Ach, ich wäre gerettet gewesen, hätte mir jemand das abscheuliche Wort wiederholt, das ihr über Madame de Mortsauf und mich entschlüpft war! »Ich bin«, sagte sie, »dieser Turteltaubenseufzer überdrüssig.«
    Ohne hier mein Verbrechen rechtfertigen zu wollen, möchte ich Ihnen doch zu bemerken geben, Natalie, daß ein Mann einer Frau gegenüber weniger Widerstandsmöglichkeiten hat, als sie Ihnen zur Verfügung stehen, um unsern Verfolgungen zu entgehen. Unsere Sitten verbieten unserm Geschlecht die Grausamkeiten des Widerstandes, die bei Ihnen eine Lockspeise für den Liebhaber sind und die zudem die Schicklichkeit von Ihnen fordert. Unsere Tugend dagegen verurteilt eine Gesetzgebung, die männlicher Selbstüberhebung entspringt, zur Lächerlichkeit. Wir überlassen Ihnen das Monopol der Bescheidenheit, damit Sie den Vorzug haben, Gunst zu erweisen; sobald aber die Rollen vertauscht werden, ist der Mann ein Opfer des Gespöttes. Obwohl meine Leidenschaft mich schützte, war ich doch nicht in dem Alter, wo man der dreifachen Versuchung des Stolzes, des Entgegenkommens und der Schönheit widersteht. Wenn Lady Arabella auf einem Ball, dessen Königin sie war, alle geernteten Lorbeeren mir zu Füßen legte, wenn sie meinen Blick erspähte, um zu sehen, ob mir ihre Toilette gefiele, und vor Wollust erschauerte, wenn sie meinen Beifall fand, dann wirkte ihre Erregung ansteckend auf mich. Sie hielt sich übrigens auf einem Gebiet, wo ich ihr nicht entfliehen konnte. Es war mir fast unmöglich, gewisse Einladungen, die vom diplomatischen Korps ausgingen, abzuschlagen. Ihr Rang öffnete ihr alle Salons, und mit der Geschicklichkeit, die Frauen entfalten, um ihr Ziel zu erreichen, ließ sie sich bei Tisch von der Gastgeberin den Platz neben mir zuweisen; und dann flüsterte sie mir ins Ohr: »Wenn ich geliebt würde wie Madame de Mortsauf, so möchte ich Ihnen alles opfern!«
    Lachend stellte sie mir die demütigendsten Bedingungen und versprach mir unbedingte Geheimhaltung oder bat mich, es nur zu dulden, daß sie mich.liebe. Eines Tages sagte sie mir diese Worte, die einem verschüchterten Gewissen und den zügellosen Begierden des jungen Mannes in gleicher Weise genügten: »Ihre Freundin stets, und Ihre Geliebte, wann Sie wollen!«
    Endlich benutzte sie meine Ritterlichkeit, um mich zu Fall zu bringen. Sie bestach meinen Kammerdiener, und nach einer Abendgesellschaft, wo sie so schön gewesen war, daß sie meine Begierden erregt haben mußte, fand ich sie bei mir zu Hause vor. Das Gerücht von diesem auffallenden Benehmen drang nach England, dessen

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