Die Lilie im Tal (German Edition)
Versuch, ihre Vergebung zu erlangen. Ich bat Jacques, mit seiner Schwester voranzugehen, überließ den Comte sich selbst und führte Madame de Mortsauf zum Boot.
»Henriette«, sagte ich, »ein Wort – um der Barmherzigkeit willen! Oder ich werfe mich in die Indre! Ich habe gefehlt, ja, das ist wahr; aber bin ich nicht wie ein Hund mit meiner rührenden Treue? Wie er kehre ich beschämt zurück; wenn er schlecht gehandelt hat, so wird er gezüchtigt; aber er verehrt die Hand, die ihn schlägt. Zerbrechen Sie mich, aber geben Sie mir Ihr Herz zurück! ...« – »Armes Kind«, sagte sie. »sind Sie nicht immer noch mein Sohn?«
Sie nahm meinen Arm und ging schweigend zu Jacques und Madeleine, mit denen sie den Weg nach Clochegourde über den Weinberg einschlug, während ich mit dem Comte zurückblieb, der von seinen Nachbarn auf die Politik zu sprechen kam.
»Wir wollen schnell nach Hause«, sagte ich; »Sie sind barhaupt, und der Abendtau könnte Ihnen schaden!« – »Ja, Sie haben Mitleid mit mir, mein lieber Felix«, antwortete er, meine Absicht mißverstehend. »Meine Frau hat mich nie trösten wollen. Vielleicht war es ein Grundsatz von ihr.«
Früher hätte sie mich nie mit ihrem Mann allein gelassen; jetzt bedurfte es eines besonderen Vorwandes, wenn ich mich ihr nähern wollte. Sie stand bei ihren Kindern und erklärte Jacques die Regeln des Tricktrack.
»Da sieht man's«, sagte der Comte, der stets eifersüchtig auf die Liebe war, die sie an seine Kinder verschenkte; »das sind die, denen man mich opfert. Die Ehemänner, lieber Felix, ziehen immer den kürzeren. Die tugendhafteste Frau findet noch immer ein Mittel, ihren innersten Wunsch zu befriedigen, das heißt, ihrem Manne Liebe zu stehlen.« Sie fuhr mit ihren Liebkosungen fort, ohne zu antworten. »Jacques!« rief der dornte, »kommen Sie einmal her!« Jacques sträubte sich ein wenig. »Ihr Vater ruft Sie, gehen Sie, mein Sohn!« sagte die Mutter und schob ihn vorwärts. »Sie lieben mich auf Befehl!« sagte der Alte, der seine Lage manchmal durchschaute. »Monsieur«, antwortete sie und fuhr wiederholt mit der Hand über Madeleines Haar, das nach der Art der ›Belle Ferronnière‹ gekämmt war, »seien Sie nicht ungerecht gegen die armen Frauen; das Leben wird ihnen nicht leicht gemacht, und vielleicht sind die Tugenden einer Mutter ihre Kinder.« – »Meine Liebe«, antwortete der Comte, der plötzlich logisch sein wollte, »was Sie da sagen, bedeutet, daß ohne ihre Kinder die Frauen auf die Tugend pfeifen würden und ihre Männer sitzenließen.« Die Comtesse erhob sich schnell und führte Madeleine hinaus. »Das ist die Ehe, mein Lieber!« sagte der Comte. – »Wollen Sie etwa durch Ihren Aufbruch sagen, daß ich Unsinn schwatze?« schrie er, nahm seinen Sohn bei der Hand und näherte sich seiner Frau, die er mit wütenden Blicken maß. »Im Gegenteil, Monsieur! Sie haben mich erschreckt, Ihre Bemerkung tut mir unendlich weh.« Sie sprach mit hohler Stimme und warf mir einen angstvollen Blick zu. »Wenn die Tugend nicht darin besteht, sich für Mann und Kinder aufzuopfern, was ist denn dann Tugend?« – »Sich aufzuopfern!?« entgegnete der Comte, und jede Silbe fiel wie ein Hammerschlag auf das Herz jener, die ihm ausgeliefert war. »Was opfern Sie denn Ihren Kindern? Was opfern Sie mir? Wen? Was? Antworten Sie! ... Werden Sie antworten? Was geschieht denn hier? Was wollen Sie mir sagen?« – »Monsieur«, antwortete sie, »möchten Sie denn um Gottes willen geliebt werden, oder soll Ihre Frau um der Tugend selbst willen tugendhaft sein?« – »Madame hat recht!« fiel ich ein. Meine Stimme war bewegt und hallte in ihren Herzen wider, in die ich meine auf ewig verlorenen Hoffnungen warf und die ich mit dem Ausdruck meines höchsten Schmerzes beruhigte; meine dumpfe Verzweiflung brachte ihren Wortstreit zum Schweigen, wie beim Aufbrüllen des Löwen alles verstummt. »Ja, das schönste Vorrecht, das uns die Vernunft gegeben hat, ist die Fähigkeit, unsere Tugenden denen zugute kommen zu lassen, deren Glück unser Werk ist und die wir weder durch Berechnung noch durch Pflicht, sondern allein durch unerschöpfliche freiwillige Liebe beglücken.« In Henriettes Augen glänzte eine Träne. »Und, lieber Comte, wenn zufällig eine Frau gegen ihren Willen einem Gefühl unterworfen wäre, das die Gesellschaft nicht billigt, so müssen Sie zugeben, daß, je unwiderstehlicher dieses Gefühl ist, desto größer ihre Tugend wird, wenn sie es
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