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Die Lilie im Tal (German Edition)

Die Lilie im Tal (German Edition)

Titel: Die Lilie im Tal (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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erstickt, sich ihren Kindern, ihrem Manne opfert. Diese Theorie ist übrigens nicht auf mich anwendbar, der ich leider ein Beispiel vom Gegenteil bin, noch auf Sie, der Sie damit nichts zu tun haben.«
    Eine zugleich feuchte und glühende Hand legte sich auf die meine und drückte leise darauf.
    »Sie sind eine schöne Seele«, sagte der Comte, der nicht ohne Anmut seine Hand um die Taille seiner Frau legte und sie sanft an sich zog. »Verzeihen Sie, meine Liebe, einem armen Kranken, der wohl mehr Liebe begehrt, als er verdient!« – »Es gibt Herzen, die eitel Großmut sind«, antwortete sie und lehnte ihr Haupt an seine Schulter, der diesen Satz auf sich bezog.
    Die Comtesse merkte es, und ein Zittern überlief sie. Ihr Kamm fiel, ihr Haar löste sich, sie erblaßte. Ihr Mann, der sie stützte, stieß ein dumpfes Stöhnen aus, als er sie ohnmächtig werden sah, nahm sie auf den Arm, als sei sie seine Tochter, und trug sie auf das Sofa im Salon. Wir standen um sie herum. Henriette hielt meine Hand in der ihren, als wolle sie mir sagen, daß wir zwei allein den tiefen Sinn dieses scheinbar so einfachen Vorfalles verständen, der für sie furchtbar war.
    »Ich habe unrecht«, sagte sie leise, als der Comte uns allein ließ, um ein Glas Orangenblütenwasser zu holen. »Ich habe Ihnen bitter unrecht getan. Ich wollte, daß Sie verzweifeln sollten, statt Sie mit Freude aufzunehmen. Lieber, Sie sind von einer wunderbaren Güte, wie nur die Leidenschaft sie kennt. Männer können verschiedenartig gut sein; sie sind es aus Verachtung, aus Bewunderung, aus Berechnung oder aus Charakterschwäche; aber Sie, mein Freund, sind soeben unbedingt ›gut‹ gewesen.« – »Vielleicht«, antwortete ich, »aber Sie wissen: was in mir Größe sein kann, kommt von Ihnen. Haben Sie denn vergessen, daß ich Ihr Werk bin?« – »Dies Wort genügt, um eine Frau glücklich zu machen«, antwortete sie, als der Comte gerade eintrat. »Ich fühle mich wohler«, fuhr sie fort und erhob sich. »Ich brauche frische Luft.«
    Wir gingen zur Terrasse, die vom Duft der sterbenden Akazienblüten überhaucht war. Sie hatte meinen rechten Arm ergriffen und preßte ihn an ihr Herz. Sie litt. Aber es waren nach ihrem eigenen Ausdruck Schmerzen, die sie liebte. Sie wäre wahrscheinlich gern mit mir allein gewesen, aber ihre Phantasie, die unerfahren in weiblichen Listen war, fand kein Mittel, den Comte und ihre Kinder zu entfernen. So sprachen wir von gleichgültigen Dingen, während sie sich den Kopf zerbrach, um. einen Augenblick zu gewinnen, wo sie mir ihr Herz ausschütten könnte.
    »Es ist lange her, daß ich nicht spazierengefahren bin«, sagte sie, als sie sah, wie schön der Abend war. »Comte, lassen Sie doch, bitte, anspannen! Ich will eine kleine Fahrt machen.«
    Sie wußte, daß vor dem Tischgebet jede Aussprache unmöglich sei, und fürchtete, der Comte möchte Tricktrack spielen. Wir hätten einander auf der lauen, duftenden Terrasse treffen können, sobald ihr Mann zur Ruhe gegangen wäre; aber sie scheute vielleicht davor zurück, im Dunkel zu bleiben, das wollüstige Lichter durchzuckten, an der Balustrade entlangzuwandeln, von wo aus der Blick die Indre sieh durch die Wiesen winden sah. Wie eine Kathedrale mit ihren dunkeln und schweigenden Hallen zum Gebete ladet, so läßt das mondbeleuchtete Laubwerk, das von starken Düften durchweht und von tausend leisen Frühlingsgeräuschen belebt ist, alle Fasern erzittern und schwächt die Willenskraft. Die Natur beruhigt die Leidenschaft der Greise, junge Herzen regt sie auf. Wir wußten es. Zwei Glockenschläge riefen zum Gebet; die Comtesse fuhr zusammen.
    »Meine liebe Henriette, was fehlt Ihnen?« – »Henriette existiert nicht mehr! Lassen Sie sie in Ruhe! Sie war anspruchsvoll, launisch; jetzt haben Sie eine friedliche Freundin, deren Tugend sich durch die Worte gestählt fühlt, die Ihnen der Himmel eingegeben hat. Wir werden von alledem später sprechen; wir müssen pünktlich zum Gebet erscheinen. Heute bin ich an der Reihe, es zu sprechen.«
    Als die Comtesse die Worte sprach, in denen sie Gott um Beistand in allen Widerwärtigkeiten des Lebens bat, tat sie es mit einer Inbrust, die nicht mir allein auffiel. Ihr Zweites Gesicht schien ihr die schreckliche Aufregung gezeigt zu haben, der sie durch meine Schuld entgegenging: ich hatte meine Verabredung mit Arabella vergessen.
    »Wir haben Zeit, drei Gänge Tricktrack zu spielen, bis die Pferde angespannt sind«, sagte der Comte und

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