Die Lilith Verheißung: Thriller (German Edition)
öffnete eine Schublade und reichte Regina eine große Schere. Regina riss die Tüte auf, und die Papiere ergossen sich auf den Tisch. Es waren meist Tagebucheintragungen, aber auch Zeichnungen, Rechnungen und Formulare. Fotos fielen heraus. Schwarzweißaufnahmen. Eine zeigte eine Frau, die einen Tennisschläger hielt. Sie wurde von zwei Männern mit streng zurückgekämmten Haaren flankiert, die ebenfalls in einem Tennis-Outfit posierten. Auf der Rückseite hatte jemand in Sütterlin, der alten Schrift der Deutschen, »Moskau 1927« geschrieben. Dann sahen sie ein Bild, ebenfalls ohne Farbe, mit drei Soldaten. Sie standenvor dem Eingang eines Bunkers. Einer rauchte eine Pfeife. Alle trugen ausgebeulte Reiterhosen über schwarzglänzenden Stiefeln, eine engsitzende Uniformjacke und eine schwarze Schirmmütze. Regina suchte nach Abzeichen, aber das Foto war zu unscharf. Mit Mühe erkannte sie Köhns Vater, der die gleichen markanten Gesichtszüge hatte wie sein Sohn. Auf der Rückseite stand nur »Vormarsch 42«. Dann wieder endlose Augenzeugenberichte, Protokolle. Fast am Ende des Dossiers fielen ihr ein paar engbeschriebene kleine DIN - A5 -Seiten auf. Eine Eule war auf den Einband gemalt worden. Es schien ein Tagebuch zu sein, doch es stand kein Name darauf. Regina blätterte darin herum und blieb an einer Seite mit großen Flecken hängen.
»Das klingt ganz interessant. Ein Tagebucheintrag über eine Expedition in den Osten.«
Elijah konnte die Bilder kaum ertragen. Ihm waren diese Schwarzweißfotos mit den stolzen Gesichtern der Schlächter und Täter zuwider. Er hatte mit diesem Kapitel immer abschließen wollen. Er war Israeli, und der Holocaust und die Erinnerung daran sollte nicht sein Leben dauerhaft bestimmen und vielfach auch bezwingen. Er wollte frei sein von Hass auf Vergangenes. Doch wieder und wieder wurde er daran erinnert. Wann immer er nach Deutschland kam, mit Deutschen wie Jan zu tun hatte, fiel ihm alles wieder vor die Füße. Er sah aus dem Fenster, als Regina zu lesen begann.
Tagebucheintragung, 13. 08. 1942
Stab 162. Infanterieregiment
Mirgorod, Ostfront
Nur noch das Kaspische Meer trennt uns. 2500 Kilometer bis Berlin, weniger als tausend bis zu dem Ort. Gestern Befehl von RF H., den Trupp aufzustellen und vom Flugplatz Rostow abzufliegen. Illmaier, Loisl und Ratzenhofer sind Feuer und Flamme. Sie alle wissen, dass der Irre Stalins Stadt unbedingt nehmen will. Und sie wissen auch, dass es das Ende des Vormarschs bedeuten würde. Lange gestern Nacht mit den beiden disputiert. Mag Illmaiers volkstümliche Sicht nicht so sehr, wenig akademischer Hintergrund,anders Ratzenhofer; spielt mit Wiener Schmäh den Advocatus Diaboli, stellt immer wieder unsere Ziele in Frage, jüdische Dialektik??? Aber alle im Ziel vereint. Wir finden den Ort. Aber was wird uns dort erwarten? Offiziell hinter den Linien aufklären und so viel über Truppenbewegungen und Reservestellungen wie möglich feststellen.
17. 08. 1942
Östlich Kaspisches Meer
In der Nacht über das Kaspische Meer mit der JU geflogen. Immer Flakbeschuss, dann 200 Kilometer östlich auf dem Ust-Urt-Plateau nahe einem Salzsee abgesetzt. Hier holt, wenn alles gutgeht, die JU uns wieder ab. Wir vergraben Funkgerät in einer Höhle. Vorher gelesen: In dieser Region forschte schon Alexander von Humboldt. Zwei Kasachen und zwei Kalmücken dabei. Unser Mann vor Ort hat Kamele »organisiert«. Werden so weiter östlich durch hügeliges Sandland, hoffentlich unerkannt, kommen. Die Engländer suchten das Shangri-La, den Ort des Guten, wo alle Religionen miteinander im Einklang leben, ein Kloster irgendwo in Tibet. Wir aber suchen den Ort des Chaos.
25. 08. 1942
Ustyurte
Erreichen am Morgen völlig erschöpft und krank das Fischerdorf Ustyurte. Die Einheimischen hassen die Bolschewiken. Sie sind alle Muslime, behaupten, dass auf Stalins Befehl hin letztes Jahr einer ihrer Heiligen aus einem Grab geholt wurde. Jetzt laste ein Fluch auf den Sowjets, ihre Niederlage stehe kurz bevor. Und erst wenn der Heilige wieder in seinem Grab läge, würde die Niederlage abgewendet werden. Wir sind hingegen willkommen. Dennoch auch schlechte Nachrichten: Ratzenhofer halluziniert. Hört etwas von Wellen, die nicht da sind. Unser Glück: Der örtliche Politkommissar ist an die Front wegberufen worden. Kein Rotarmist weit und breit. Wollen in der Nacht, nach kurzem Schlaf bei einer Bäuerin, auf die Insel übersetzen.
27. 08. 1942
100 Kilometer westlich von
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