Die Liste der vergessenen Wünsche: Roman (German Edition)
maßgeschneiderten Sakko ihres Bruders. Und ein offenes Zeichen des Protests.
Leo stand am Fußende ihres Betts und schüttelte mit aufgeblähten Backen seufzend den Kopf. »Ich kann nicht glauben, dass du diesen Feiertag boykottierst. Wer macht so was? Willst du wirklich ganz allein zu Hause bleiben und Weihnachten verpassen? Weihnachten «, wiederholte er, um die Wirkung zu erhöhen.
»Ja, das ist genau das, was ich will. Das heißt, wenn ihr mich lassen würdet.« Ihr erstes Weihnachten ohne Sebastian war bedeutend schmerzhafter, als sie erwartet hätte. Obwohl sie ihr Bestes gab, sie abzublocken, wurde ihr Kopf von den quälenden Erinnerungen an die vergnügten Feiertage geflutet, die sie in der Vergangenheit gemeinsam verlebt hatten. Draußen vor dem Fenster fielen glitzernde Schneeflocken. Sie musste an die rosa Kaschmirfäustlinge denken, die ihr Sebastian im Jahr zuvor zu Weihnachten geschenkt hatte, und daran, wie warm und wohlig es sich angefühlt hatte, als sie damit seine Hand hielt auf dem verträumten Winterspaziergang, den sie gemeinsam gemacht hatten, kurz nach Libbys alljährlichem Weihnachtsbrunch-Festgelage. Mit den Schneeflocken, die sanft vom Himmel fielen, als sie Händchen haltend die atemberaubende Landschaft auf sich wirken ließen, wäre es unmöglich gewesen, sich nicht von der berauschenden weihnachtlichen Romantik des Moments mitreißen zu lassen – das Einzige, was da vielleicht noch gefehlt hätte, wäre Bambi gewesen, ein paar seiner Freunde und ein blauer Eichelhäher oder zwei, die im Vorbeischlendern »Walking in a Winter Wonderland« gesungen und ihnen dann eine Thermoskanne mit heißer Schokolade gereicht hätten – natürlich mit Marshmallows.
»Ich habe Libby gesagt, dass ich Weihnachten dieses Jahr nicht feiere. Punkt. Ende. Ich kann das einfach nicht«, sagte Clara. »Ich weiß nicht, was daran so schwer zu verstehen ist.«
»Erstens ist es dein Lieblingsfeiertag«, erwiderte Leo. Du besitzt achtzig verschiedene Weihnachts- CD s, die du in alphabetischer Reihenfolge sortiert hast. Und jedes Jahr im Dezember sieht deine Wohnung aus wie der verdammte Nordpol. Du liebst Weihnachten! Muss ich dich daran erinnern, dass wir letztes Jahr um diese Zeit Martinis mit Zuckerstangen gekippt haben und du alles versucht hast, um uns dazu zu überreden, einen Familienurlaub in Santa Claus, Indiana zu planen?«
Bekannt als einer der weihnachtlichsten Orte des Landes, zog diese Stadt voller Weihnachtsfanatiker mehr als eine Million Besucher pro Jahr an. Jeder Laden, jede Straße und jeder einzelne Platz hatte dort einen Namen, der sich auf Weihnachten bezog (Lake Rudolph, Comet’s Café, Santa’s Candy Castle), und beim alljährlichen Land-der-Lichter-Fest dekorierten die Einwohner des ZweitausendSeelen-Städtchens ihre Häuser mit übertriebenen Lichtinstallationen, was ein gewaltiges, zwei Kilometer langes, hell glitzerndes Weihnachtsabenteuer ergab. Kein Zweifel, die Einwohner von Santa Claus, Indiana liebten Weihnachten das ganze Jahr über. Und einmal zumindest musste jeder das gesehen haben. Hatte Clara zumindest früher immer gesagt.
»Tja, na ja … Seither hat sich eine Menge verändert«, erwiderte Clara gleichgültig.
»Wir haben diesen Abend schon immer als Familie gemeinsam verbracht«, sagte Leo fassungslos. »Es ist eine Tradition, die noch nie gebrochen wurde. Wir feiern Weihnachten gemeinsam . Wir packen Geschenke aus, fressen uns bei Libbys Weihnachtsbrunch voll, und dann geht der Wahnsinn so weiter bis zum Abendessen bei Tante Billie. Gemeinsam. So feiert unsere Familie.«
»Kapierst du’s nicht?«, fauchte Clara und setzte sich im Bett auf. »Ich hab nichts zu feiern! Und einen wichtigen Teil meiner Familie gibt es nicht mehr. Du hast doch keine Ahnung, wie sich das anfühlt. Es tut mir leid, hier so einen Aufstand zu machen, aber es ist wirklich hart für …« Sie wurde vom Klingeln ihres Handys unterbrochen und schaute aufs Display.
Mit angespanntem Kiefer schaltete Clara das Handy aus und schob es auf dem Bett zur Seite.
Leo zog die Augenbrauen hoch. »Lass mich raten. Das war wieder Todd?«
Clara stieß mit zusammengekniffenen Augen die Luft aus. »Bitte erwähn seinen Namen nicht. Dieser Mann lässt einfach nicht locker.« Zerfressen von Schuldgefühlen und Scham darüber, mit ihm geschlafen zu haben, hatte sie seine Anrufe die letzten paar Wochen einfach ignoriert und insgeheim gebetet, der hartnäckige Klavierstimmer würde den Wink irgendwann
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