Die Liste der vergessenen Wünsche: Roman (German Edition)
einer Serviette ab und hob ihr Bierglas. »Auf die Zeitkapsel!«
»Auf die Zeitkapsel«, wiederholte Clara, hob ebenfalls ihr Glas und stieß mit ihrer alten Freundin an.
»Und auf den gesegneten Alka-Seltzer-Stand«, stöhnte Tabitha.
»Amen!« Clara warf den Kopf zurück und lachte. » Wir sind alle fette Schweine! «
einmal vom größten Büfett in ganz Amerika essen
April
23
An einem bedeckten Sonntagnachmittag und zum dritten Mal, seit Clara in Richter Bennetts Eigentumswohnung gezogen war, hatte sein Makler sie höflich darum gebeten, dass sie und Mon Chéri das Objekt für ein paar Stunden verließen, solange er einen Besichtigungstermin abhielt. Mit Ausnahme eines jungen Paars, das ein lächerlich niedriges Angebot abgegeben hatte, gab es bislang keine ernsthaften Interessenten, und der zunehmend entmutigte Richter hatte Clara gegenüber erwähnt, dass es am Markt gerade so düster aussehe, dass er in Erwägung ziehe, den Preis zu senken, um den Verkauf »endlich über die Bühne zu bringen«.
Nachdem sie sich mit Lincoln am Morgen zum Joggen entlang einer malerischen Strecke, die allerdings auch schrecklich steil bergauf ging, im Grant Park getroffen hatte – ihre dritte Trainingseinheit für den Benefizlauf in dieser Woche –, fuhr Clara mit Mon Chéri schnurstracks nach River Pointe, obwohl ihr ganzer Körper vom Berg-Training schmerzte und sie es vorgezogen hätte, nach Hause zu fahren und sich auf die Couch zu werfen. Libby hatte sie und Leo zu einem guten, altmodischen Sonntagsessen eingeladen, und Clara nahm an, dass sie den Tag beim Plausch mit ihrer Familie verbringen und hoffentlich auch noch Leos verflixte Blockflöte ausgraben würde.
Als Clara jedoch ins Haus kam, fand sie bloß eine Nachricht von Libby in der Küche vor, die besagte, dass sie und Leo noch Besorgungen zu machen hätten und später zurückkämen. »Perfekt«, murmelte Clara Mon Chéri zu und holte sich eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank. »Dann lass uns dieses Ding schnell finden, bevor deine Oma heimkommt und wieder einen hysterischen Anfall kriegt, weil ich ihr den Garten zerstöre. Was meinst du?«
Mon Chéri bellte und leckte sich zustimmend das Hinterteil.
Clara holte die Kelle aus dem Gartenschuppen neben der Ahornburg und kehrte an den Tatort zurück. Oder zu dem, wovon sie hoffte – und Daumen und Zehen drückte –, dass es sich wirklich um den Tatort handelte. Beherzt schob sie die Ärmel ihres Pullis hoch, ging auf alle viere und machte sich an die Arbeit.
Sie grub.
Und grub.
Dann grub sie noch ein bisschen mehr.
Es vergingen ganze zwei Stunden, ohne dass sie es überhaupt merkte.
Seit ein paar Wochen hatte es nicht mehr geregnet, folglich war der Boden hart und trocken, was das Graben noch anstrengender machte als bei ihrer letzten unglückseligen Jagd nach der vergrabenen Flöte. Ihre Knie fingen an zu brennen, und an ihrer Handfläche hatte sich eine schmerzhafte Blase gebildet. Voll konzentriert hatte sie soeben vergeblich den dreizehnten Krater des Tages ausgehoben. »Verfluchte Scheiße!«, schimpfte sie und warf die Kelle weg. »Das ist doch lächerlich …« Außer Atem und verschwitzt, wischte sie sich mit dem Handrücken über die Stirn und hinterließ dort eine graue Schmutzspur. Als ihr Ärger auf dem Höhepunkt angelangt war und sie den Wunsch zu schreien unterdrücken musste, wusste sie, dass sie eine Pause einlegen sollte.
Sie setzte sich im Schneidersitz hin und lehnte sich an den kräftigen Stamm des Baumes, der die Ahornburg trug. Clara schraubte den Verschluss von der Wasserflasche und nahm ein paar große Schlucke. Dann atmete sie zur Beruhigung ein paar Mal tief durch, fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und hinterließ ein paar Erdklümpchen in ihren Locken. Mon Chéri ließ sich neben sie fallen und legte die Schnauze auf ihren Oberschenkel. Sie tätschelte ihm liebevoll den Kopf. »Ich hatte keine Ahnung, wie schwer das wird. Keinen Schimmer …«
Langsam ging die Sonne unter, und Clara merkte, dass im Osten am Himmel der Mond aufgetaucht war, leuchtend weiß und beinahe voll. Sie hatte es schon immer geliebt, wenn Sonne und Mond gleichzeitig den Himmel schmückten. Es erinnerte sie an zwei gute, alte Freunde, die sich nicht oft trafen. Clara nahm noch einen Schluck, und ihre Gedanken wandten sich Sebastian zu. Wenn er doch nur auch hier sein könnte, sich an ihrer Seite ausruhen und mit ihr in den Himmel schauen. Er würde den Arm um sie legen, und sie würde ein
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