Die Löwen
lärmende Kriegsspiele, bei denen sie, ihre älteren Brüder nachahmend, imaginäre Russen aus dem Hinterhalt überfielen. Irgendwo sang ein Mann zum Rhythmus einer Trommel. Die Vorstellung, den Abend allein zu verbringen, erschien Jane unerträglich trostlos, und impulsiv sagte sie zu Ellis: »Komm und trink Tee mit mir – falls es dir nichts ausmacht, wenn ich Chantal stille.«
»Gern«, sagte er nur.
Als sie das Haus betraten, hörten sie das Baby schreien, und wie stets reagierte Janes Körper darauf: Aus einer ihrer Brüste quoll etwas Milch. Hastig sagte sie zu Ellis: »Nimm doch Platz - Fara wird dir Tee bringen.« Dann, bevor Ellis den Fleck auf ihrem Hemd sehen konnte, eilte sie in den benachbarten Raum.
Rasch knöpfte sie ihr Hemd auf und hob das Baby hoch. Wie immer war da ein Augenblick gleichsam blinder Panik, während Chantal die Brustwarze suchte. Dann begann sie zu saugen, so stark zuerst, dass es schmerzte, aber bald schon sanfter. Jane zögerte, in den anderen Raum zurückzugehen. Sei nicht albern! befahl sie sich. Sie spürte, wie eine leichte Röte in ihr Gesicht stieg, als sie durch die Türöffnung trat.
Ellis war dabei, Jean-Pierres Landkarten zu betrachten. »Das hat er verdammt schlau angestellt«, sagte er. »Er kannte sämtliche Routen, weil Mohammed immer seine Karten benutzte.« Er blickte auf, sah ihren Gesichtsausdruck und sagte hastig: »Aber reden wir nicht davon. Was wirst du jetzt tun?«
Sie setzte sich auf das Kissen und lehnte ihren Rücken gegen die Wand; so war es beim Stillen am bequemsten. Ihre bloßliegende Brust schien Ellis überhaupt nicht zu irritieren, und Jane begann sich behaglicher zu fühlen. »Ich muss warten«, sagte sie. »Sobald die Route nach Pakistan wieder offen ist und es Konvois gibt, kehre ich nach Hause zurück.
Was ist mit dir?«
»Genau dasselbe. Meine Arbeit hier ist erledigt. Die Abmachung wird natürlich überprüft werden müssen, aber die Agency hat Leute in Pakistan, die das tun können.«
Fara brachte den Tee.
Jane fragte sich, wie Ellis’ nächster Auftrag aussehen mochte: vielleicht die Vorbereitung zu einem Staatsstreich in Nicaragua; oder die Erpressung eines sowjetischen Diplomaten in Washington; oder vielleicht ein Attentat auf einen afrikanischen Kommunisten? Als sie noch ein Liebespaar gewesen waren, hatte Jane ihn gefragt, warum er nach Vietnam gegangen war, und er hatte erwidert, alle hätten erwartet, er werde sich vor dem Wehrdienst drücken, aber er sei nun mal so einer, der aus lauter Oppositionsgeist immer das Gegenteil tue. Sie war sich nicht sicher gewesen, ob sie ihm das glauben sollte, aber selbst wenn es stimmte, so erklärte das noch lange nicht, warum er sich nach seiner Entlassung aus der Army wieder so einen wenig zimperlichen Job gesucht hatte.
»Was wirst du tun, wenn du wieder zu Hause bist?« fragte sie. »Weitere hübsche Pläne schmieden, um Castro zu töten?«
»Es ist nicht Sache der Agency, Attentate zu verüben«, sagte er.
»Aber sie tut’s.«
»Es gibt einen irrwitzigen Aspekt, dem wir unseren schlechten Ruf verdanken. Leider Gottes können Präsidenten nicht der Versuchung widerstehen, Geheimagentenspiele zu spielen, und das ist für die, die uns anfeinden, das gefundene Fressen.«
»Warum kehrst du nicht alldem den Rücken und versuchst es mal als Mitglied der menschlichen Gemeinschaft?«
»Hör zu. Amerika ist voller Leute, die glauben, dass andere Länder, genau wie ihr eigenes, ein Recht darauf haben, frei zu sein – leider sind das alles Leute, die alldem den Rücken kehren und solche Mitglieder der menschlichen Gemeinschaft sind. So kommt es denn, dass zu viele Psychopathen für die Agency arbeiten und zu wenig normale Bürger. Wenn dann, der Laune eines Präsidenten folgend, die Agency den Sturz einer ausländischen Regierung bewirkt, fragt sich jedermann, wie so was denn überhaupt passieren kann. Die Antwort lautet: Weil die Leute es geschehen lassen. Das Land, in dem ich lebe, ist eine Demokratie, wenn also etwas schiefgeht, dann bin ich’s, der Bürger, der die Verantwortung trägt; und wenn irgendetwas in Ordnung zu bringen ist, dann muss ich es tun – eben wegen dieser Verantwortung.«
Seine Argumente überzeugten Jane nicht. »Würdest du sagen, um den KGB zu reformieren, müsste ein Russe dort irgendeine Funktion übernehmen?«
»Nein, denn der KGB wird letzten Endes nicht vom Volk kontrolliert – ganz im Gegensatz zur Agency.«
»So leicht ist das mit der Kontrolle
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