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Die Löwen

Die Löwen

Titel: Die Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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gewesen war, die Teilnehmerzahl zu begrenzen. An seinen mangelhaften Kenntnissen der Darisprache lag der Zulauf gewiss nicht. Zwar war - aus seiner Zeit in Teheran – noch ein wenig Farsi haften geblieben, und auf der Herreise im Konvoi hatte er so viele Dariwörter aufgeschnappt, dass er über die Landschaft, Nahrung, Pferde und Waffen sprechen konnte. Aber es gab allzu vieles, wo er mit seinem Latein - sprich Dari - am Ende war.
    Wie hätte er zum Beispiel sagen sollen: Die Einkerbung im Explosivmaterial hat den Effekt, den Detonationsdruck zu fokussieren? Doch die Vorstellung, etwas in die Luft zu sprengen, appellierte so stark an den afghanischen Machismo, dass Ellis stets aufmerksame Zuhörer und vor allem Zuschauer hatte. Es wäre Unsinn gewesen, ihnen die Formel für die Berechnung der TNT-Menge zur Sprengung eines bestimmten Zielobjektes beibringen zu wollen. Nicht einmal eine gedruckte Anweisung in ihrer eigenen Sprache hätte irgendwelchen Nutzen gehabt, denn keiner von ihnen verfügte auch nur über Grundschulwissen, etwa in Mathematik, und die meisten von ihnen konnten nicht einmal lesen. Dennoch konnte er ihnen zeigen, wie man wirksam sprengte, ohne zu vielzu-viel Dynamit zu verbrauchen – was sehr wichtig für sie war, weil allgemeine Materialknappheit herrschte. Doch sein Versuch, sie zur Einhaltung der allerprimitivsten Sicherheitsvorkehrungen zu bewegen, war gescheitert: Dergleichen war für sie Feigheit.
    Ihn quälte immer wieder der Gedanke an Jane.
    Er war eifersüchtig, wenn er sah, wie sie Jean-Pierre berührte; er war neidisch, wenn er beide in der Höhlenklinik sah, wo das Paar so tüchtig und so harmonisch zusammenarbeitete; und Lüsternheit verzehrte ihn, wenn er Janes Brust sah, wenn sie ihr Baby stillte. Im Haus von Ismael Gul, wo er wohnte, lag er des Nachts wach in seinem Schlafsack und wälzte sich unaufhörlich hin und her, mal in Schweiß gebadet, mal fröstelnd, und versuchte, die Geräusche zu überhören, die aus dem benachbarten Raum kamen, wo Ismael und seine Frau, nur wenige Meter von Ellis entfernt, sich liebten; und es juckte ihn in den Händen vor Verlangen, Jane zu berühren.
    Doch all das war seine eigene Schuld. Er hatte sich freiwillig für diese Mission gemeldet in der unsinnigen Hoffnung, Jane zurückgewinnen zu können. Das war unprofessionell, und es war unreif. Ihm blieb nichts anderes übrig, als sich so schnell wie möglich wieder aus dem Staub zu machen.
    Doch er konnte nichts unternehmen, solange er nicht mit Masud zusammengetroffen war.
    Er stand auf und ging unruhig umher, wobei er instinktiv darauf achtete, dass er im Schatten des Feigenbaumes blieb, damit ihn niemand von der Straße sehen konnte. Ein paar Meter entfernt lag massenhaft verbogenes Metall: Dort war ein Hubschrauber abgestürzt. Er sah ein dünnes Stück Stahl von der Größe und Form eines Tellers, und das brachte ihn auf eine Idee. Er hatte sich gefragt, wie er die Wirkung von Sprengladungen mit Richtungseffekt demonstrieren konnte. Jetzt sah er eine Möglichkeit.
    Er nahm aus seinem Tragbeutel ein kleines Stück TNT und ein Taschenmesser. Die Guerillas drängten sich um ihn. Unter ihnen befand sich Ali Ghanim, ein kleiner, hässlicher-hässlicher Mann – krumme Nase, Stummelzähne und Buckel -, der angeblich vierzehn Kinder hatte. Ellis kerbte, in persischer Schrift, den Namen Ali in das TNT. Er zeigte es den Männern. Ali erkannte seinen Namen. »Ali«, sagte er grinsend und zeigte sein grauenvolles Gebiss .
    Ellis legte den Sprengstoff, mit der gekerbten Seite nach unten, auf das Stück Stahl.
    »Hoffentlich klappt’s«, sagte er lächelnd auf englisch, und alle erwiderten sein Lächeln, obwohl keiner ihn verstand. Dann holte er eine Rolle Zündschnur aus seinem geräumigen Beutel und schnitt davon einen guten Meter ab. Nun nahm er aus einer Schachtel einen Sprengzünder und führte ein Ende der Zündschnur in den zylindrischen Zünder ein. Mit einem Klebeband befestigte er den Zünder an dem Stückchen TNT. Er blickte hinunter auf die Straße. Sie war im Augenblick völlig frei. Ellis trug seine kleine › Bombe ‹ quer über den Hang zu einer etwa fünfzig Meter entfernten Stelle. Dort legte er sie auf den Boden, steckte die Zündschnur mit einem Streichholz an und ging dann zum Feigenbaum zurück.
    Es war eine langsam brennende Zündschnur. Während er wartete, fragte Ellis sich unwillkürlich, ob Masud ihn von den anderen Guerillas beobachten und einschätzen ließ.
    Wartete der

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