Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall
fragte sie endlich.
«Wir bleiben, bis wir Valeria mit nach Hause nehmen können.» Carla Cabun faltete ihre Hände. «Wir lassen sie nicht allein in diesem schrecklichen Raum, in dieser Kühltruhe. Valeria muss zurück zum Meer, wir müssen sie in ihrer Erde begraben. Wann können wir sie mitnehmen, Signora Commissaria?»
«Es kann nicht mehr lange dauern, Signora Cabun. Ich werde morgen mit dem Gerichtsmediziner sprechen, ob er alle Untersuchungen abgeschlossen hat. Wenn es so ist, dann können Sie Valeria mitnehmen.»
«Grazie, Signora Commissaria», flüsterte Carla Cabun und griff wieder nach der Hand ihres Mannes.
«Warum müssen die eigentlich immer mit ihrer ganzen Sippschaft anrücken?», fragte Kommissar Baumann, als die Familie Cabun gegangen war.
«Weil sie zusammengehören, deshalb», erwiderte Laura unwirsch.
«Ich wollte, ich hätte so eine Rückendeckung von meiner Familie», warf Claudia ein, während sie die Kaffeebecher einsammelte.
«Also, ich muss sagen, dass es mir eher Angst machen würde.» Baumann reichte Claudia seine Tasse. «Was haben denn die Cabuns erzählt, Laura? Glaubst du, dass die was mit dem Überfall auf Malenge zu tun haben?»
«Keine Ahnung …» Laura füllte einen Becher aus dem Wasserspender, trank schnell. «Dein Kaffee war wahnsinnig stark, Claudia. Ich hab das Gefühl, völlig auszutrocknen!»
«Ich hab ihn nicht gemacht. Der eine Cabun-Sohn, oder was immer er war, hat Kaffee gemacht. Wollte helfen. Ist doch in Ordnung, oder?»
«Klar – wahrscheinlich wollte er Espresso in einer deutschen Kaffeemaschine machen.» Laura wusste, dass ihr Scherz nicht gut war. Sie fühlte sich auch nicht gut, war müde. Sie wünschte sich weit weg, irgendwohin ans Meer oder auf einen Hügel inmitten einer leeren Landschaft ohne türkische und italienische Tragödien. Vielleicht könnte sie es gerade noch ertragen, mit Guerrini unter einem Olivenbaum zu sitzen und eine Flasche Rotwein zu trinken. Schweigend.
Doch sie stand in einem Großraumbüro, hielt einen halb vollen Becher Wasser in der Hand, ihre Sekretärin und ihr engster Mitarbeiter sahen sie an.
«Haben die nun etwas damit zu tun, oder nicht?» Baumann schnippte mit dem Finger, als wolle er Laura aufwecken.
«Ich weiß es wirklich nicht, Peter. Vielleicht, wahrscheinlich aber nicht. Woher sollen sie Malenges Adresse, seinen Namen wissen. Es sei denn, die Denners haben uns eine Menge verschwiegen. Vielleicht haben Denners die Cabuns auf Malenge gehetzt, um den Verdacht auf andere zu lenken. Möglich ist alles.»
«Aber Italiener sagen nicht ‹Scheißnigger, ich bring dich um› auf Deutsch.» Er setzte sich auf die Kante seines Schreibtischs und wippte ungeduldig mit dem Fuß.
«Der Cabun, der mir beim Kaffee geholfen hat, sprach ziemlich gut Deutsch!», warf Claudia ein.
«Tatsächlich?» Baumanns Fuß hörte auf zu wippen.
Nein, dachte Laura. Ich hätte die Cabuns fragen müssen, ob einer der jungen Männer Deutsch spricht. Warum habe ich nicht gefragt? Sie kannte die Antwort: weil sie nicht wollte, dass die Cabuns etwas mit dem Überfall auf Malenge zu tun hatten. Nicht sehr professionell, aber so war es eben.
«Und jetzt?» Der junge Kommissar sah Laura fragend an. Ihr war noch nie aufgefallen, dass seine Stirn so viele Querfalten hatte.
«Tja, was wohl», murmelte sie. «Wir werden zu ihnen ins Hotel fahren und Fragen stellen, Alibis überprüfen. Was man eben so macht bei der Kripo.» Sie ließ ihren Blick über die vielen gläsernen Bürozellen wandern, sah Kriminaloberrat Becker vier Zellen weiter mit Kollegen sprechen. Er ruderte mit seinem rechten Arm und machte keinen zufriedenen Eindruck. Draußen auf dem Flur näherte sich Andreas Havel und winkte ihr zu. Sie winkte zurück. Immerhin einen Vorteil haben diese Aquarien, dachte Laura. Man kann sich darauf einstellen, wer im nächsten Augenblick vor einem steht.
«Seid ihr irgendwie deprimiert?», fragte der junge Kriminaltechniker, als er die Tür öffnete.
«Möglich», knurrte Baumann.
«Na ja, vielleicht kann ich euch ein bisschen aufmuntern. Dieser Fall Cabun könnte noch ganz spannend werden. Sie ist nicht aus dem Fenster im Treppenhaus gestürzt. Ich habe es nachgemessen. Es ist vollkommen unmöglich. Sieht so aus, als hätte jemand das Fenster weit aufgemacht, um den Eindruck zu erwecken, dass sie sich dort hinausgestürzt hat. Hat ja funktioniert. Mein Kollege glaubte es, und ich vermute, dass er gar nicht nachgemessen hat. Anschiss
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