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Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall

Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall

Titel: Die Löwin aus Cinque Terre: Laura Gottbergs dritter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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Balkonstuhl und schloss die Augen. Jetzt gerade bin ich hier auf diesem Stuhl und habe die Beine hochgelegt, dachte sie. Es wird gleich weitergehen, aber jetzt gerade bin ich hier.

LEICHT NACH vorn gebeugt, beide Arme auf der Brüstung, das Kinn auf die verschränkten Hände gelegt, saß Commissario Angelo Guerrini auf seiner Dachterrasse und schaute auf die südlichen Stadtviertel von Siena. Rechts von ihm stand eine winzige Espressotasse, links ein großer Blumentopf mit Basilikumpflanzen.
    Er hatte Zeit. Eine Stunde für sich. In einer Stunde würde sein Vater kommen, und sie würden gemeinsam die Bistecche braten, die Kartoffeln in Rosmarin wenden und den Spinat zubereiten.
    Guerrini ließ seinen Blick über die Türme und Häuser hinweg zu den Hügeln in der Ferne wandern und hinaus auf die Crete, die um diese Jahreszeit noch hellgrün von der jungen Saat waren. Er fühlte sich wohlig und schlapp, fragte sich, was es eigentlich war, das Menschen antrieb, so komplizierte Beziehungen einzugehen wie die zu Laura Gottberg. Er war immerhin achtundvierzig Jahre alt – nicht mehr lange, leider –, und es gab keinen Grund, warum er nach München fahren sollte, um sich einer unklaren Situation auszusetzen. Er hatte nicht den Eindruck, dass sie begeistert von seinem Kommen war. Er hätte es sich gewünscht, aber sie hatte atemlos am Telefon geklungen und unsicher.
    Hatte sie solche Angst vor ihren Kindern? Er wollte sie sehen, diese Kinder, freute sich sogar auf sie. Aber wahrscheinlich war das eine vermessene Sehnsucht. Wenn er ehrlich zu sich selbst war, dann erfüllte ihn diese merkwürdige Sehnsucht, seit er Laura zum ersten Mal getroffen hatte. Sie hatte so eine Art, zu antworten, Dinge offen zu lassen, die ihm Raum gab. Es waren diese Momente gegenseitigen Erkennens, Sich-fallen-Lassens ins Leben, die er so noch nie erlebt hatte. Immer nur Momente, störbar, zeitlich begrenzt – deshalb umso kostbarer.
    Er dachte an ihr Lachen, als er ihr von dem toten Hund und dem unverhofften Ableben der Signora Malenchini erzählte. Sie hatte diesen Sinn für die Absurditäten des Lebens, den er häufig bei anderen vermisste. Seine Frau Carlotta – von der er seit drei Jahren getrennt lebte – hatte diesen Sinn überhaupt nicht. Carlotta hatte keinen Humor. Wenn Guerrini aus reiner Verzweiflung etwas zu laut lachte, nur damit jemand lachte, sagte sie: «Lach nicht so laut, Angelo!»
    Carlotta war bitter gewesen, weil sie keine Kinder bekommen konnte, weil Guerrini selten pünktlich nach Hause kam, weil sie ihre Arbeit als Sekretärin eines Notars hasste.
    Aber dennoch – wenn Guerrini über seine Noch-Ehefrau nachdachte, überkam ihn auch etwas wie Bewunderung. Carlotta hatte auf der Abendschule Englisch gelernt, sich diese Stellung in Rom gesucht und ihn einfach verlassen. Sie hatte ein neues Leben angefangen, während er alles so hätte laufen lassen – aus Rücksicht auf sie, wie er dachte.
    Was für ein Irrtum. Es war keine Rücksicht gewesen, sondern die schlichte Tatsache, dass er in den vergangenen Jahren innerlich allmählich abgestorben war. Er machte sich da inzwischen nichts mehr vor, hatte sogar Laura von seiner inneren Wüste erzählt. Mit ihr konnte er darüber sprechen, sogar lachen.
    Und deshalb sehnte er sich danach, die Beziehung zu ihr aus der Unverbindlichkeit zu lösen, in etwas zu verwandeln, das mehr war als die flüchtigen Begegnungen.
    Das Telefon klingelte, weckte ihn aus seinen Gedanken, und er hoffte, dass sie es sein könnte. Aber es war Sergente Tommasini, der ihm mitteilen wollte, dass er den Sohn der Signora Malenchini verhört habe und dass der Mann ihm sehr verdächtig erscheine.
    «Er hasste seine Mutter, Commissario! Er gibt es sogar zu!»
    «Wenn alle Italiener, die ihre Mütter hassen, sie auch umbringen würden, dann gäbe es ein landesweites Massaker», entgegnete Guerrini lachend.
    «Er hasste auch den Hund!»
    «Gibt er das auch zu?»
    «Ganz offen, Commissario!»
    «Dann war er’s nicht, sonst würde er es nicht so offen zugeben!»
    «Aber alle anderen reden nur gut von der Signora Malenchini!» Tommasinis Stimme klang unsicher.
    «Die sind alle verdächtig, Sergente. Befragen sie die weiter, lassen sie nicht locker.»
    «Aber nicht heute Abend», gab Tommasini ruhig zurück. «Da wird nämlich in unserem Stadtviertel der Palio vorbereitet, und ich reite in diesem Jahr mit!»
    «Morgen ist ja auch noch ein Tag, Sergente. Morgen können wir die Leute gemeinsam befragen.»
    «Ja

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