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Die Loewin von Mogador

Die Loewin von Mogador

Titel: Die Loewin von Mogador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Drosten
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wider
alle Vernunft doch eine Zukunft für sie beide gab, obwohl seine Eltern schon
eine Braut für ihn ausgewählt hatten? Sie schluckte schwer. Dann streckte sie
ihre Hände aus. „Fang an!“
    Malika nahm die Linke und betrachtete sie
ernst. Emily lächelte verlegen, als eine junge Berberfrau, die in der Nähe saß
und ihr Kind stillte, ihr aufmunternd zunickte.
    „Was ist denn nun?“, fragte sie nervös, weil
Malika so lange auf ihre Hand starrte. Die blickte auf, ein kleines Lächeln
umspielte ihre Mundwinkel. „Wer hätte das gedacht, Schwesterchen!“
    „Wer hätte was gedacht? Lass mich doch nicht
um jedes Wort betteln!“
    „Du hast ihn bereits gefunden, Schwester, und
du hast mir kein Wort verraten. Schämst du dich nicht?“ Malika klang sehr
zufrieden mit sich.
    Emily riss ihre Hand zurück und versteckte
sie in einer Falte ihrer Tunika. „Das kannst du unmöglich aus ein paar Linien
in meiner Handfläche gelesen haben!“
    „Dass ich es kann, ist so sicher wie der nächste
Sonnenaufgang! Und selbst wenn ich es nicht könnte, hättest du dich jetzt
verraten. Nun gib mir deine Hand zurück. Ich erkläre dir auch genau, was ich
sehe.“ Malika fasste Emilys Linke, öffnete sie und strich sanft mit den Fingern
darüber.
    „Hier verläuft die Linie des Herzens. Aus ihr
lese ich dein Schicksal in der Liebe.“ Sie deutete mit dem Zeigefinger auf die
obere von zwei dünnen waagerechten Furchen in Emilys Handfläche. „Deine Linie
beginnt nahe dem vierten Finger. Also wirst du eifersüchtig darüber wachen,
dass dein Mann keine anderen Frauen begehrt. Aber die Linie liegt auch nahe am
dritten Finger, was mir verrät, dass es dir Freude bereitet, den Körper deines
Mannes zu spüren. Darin gleichst du mir.“
    „Aber ich habe den Körper eines Mannes noch
nicht gespürt!“, rief Emily aus. Sie war blutrot im Gesicht geworden.
    „Nicht?“ Malika staunte. „Ich schon.“
    „Wie bitte??“ Emily glaubte, sich verhört zu
haben. „Weiß Vater davon?“
    Malika streckte versonnen die Hand nach einer
Eidechse aus, die sich dicht neben ihr auf einem Stein sonnte. „Gewiss weiß er
es. Ich habe doch vor drei Jahren auf einem Treffen der Glaoua Hochzeit
gefeiert. Zusammen mit zwanzig anderen Paaren habe ich vor dem Kadi einen
jungen Glaoua zum Mann genommen.“
    „Aber wo ist dein Mann jetzt?“
    Malika stupste die Eidechse mit dem
Zeigefinger, und sie lief blitzschnell ein paar Meter weiter. „Im Jahr darauf
hat der Kadi unsere Verbindung wieder getrennt. Scheidung heißt es in der
Sprache meines Vaters. Jetzt bin ich frei, mir einen neuen Ehemann zu wählen,
wann immer ich das will.“
    „Hast du deinen Mann denn nicht geliebt?“
Emily kam aus dem Staunen nicht heraus.
    „Natürlich habe ich das, fast ein ganzes Jahr
lang.“ Malika war entrüstet.
    „Hast du danach denn wieder“ Emily schluckte,
„geheiratet?“ Sie verspürte ein wenig Neid auf ihre Schwester, die ihr solche
Erfahrungen voraushatte.
    Malika verneinte. „Ich mag keine arabischen
Männer und auch keine Berbermänner. Ich mag ihre struppigen Bärte nicht und wie
sie angezogen sind, diese langen Kittel…“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich möchte
einen Ausländer heiraten, aus dem Land meines Vaters, aber Ausländer kommen
nicht nach Qasr el Bahia. Also müsste ich Qasr el Bahia verlassen, und das will
ich nicht.“
    Komm doch mit mir, wenn ich nach London an
die Kunstakademie gehe, wollte Emily rufen. Aber dann fiel ihr zum zweiten Mal
in kurzer Zeit ein, dass sie ihren Platz an der Akademie aufgegeben hatte und
es höchst unsicher war, ob sie überhaupt irgendwann dorthin reiste. Sie biss
sich auf die Lippen und streckte ihre linke Hand wieder aus. „Lass uns
weitermachen!“
    Malika deutete auf eine Stelle unterhalb von
Emilys Zeigefinger. „Hier bilden zwei Linien ein Kreuz. Das heißt, dass du
deine große und ewige Liebe bereits kennst. Die Linie des Herzens ist lang, klar
und von roter Farbe. Du wirst deinem Auserwählten ewig treu sein und liebst ihn
aufrichtig und leidenschaftlich.“ Sie hob den Kopf und lächelte Emily zu. „Wer
hat dich erobert, Schwester?“
    Emilys Herz schlug bis zum Hals.
Unwillkürlich sah sie sich nach allen Seiten um, aber niemand nahm Notiz von
ihnen. Auch die junge Berberfrau, die ihrem Baby leise etwas vorsummte,
kümmerte sich nicht um sie.
    „Du kennst ihn nicht, er lebt in Mogador“,
raunte sie Malika zu. „Er ist der Hakim der Stadt.“
    Malika pfiff leise. „Ein arabischer

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