Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Loewin von Mogador

Die Loewin von Mogador

Titel: Die Loewin von Mogador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Drosten
Vom Netzwerk:
Stadt
gebaut?“, fragte Sibylla.
    „Nun Sidi Mohammed Ben Abdallah, so hieß der
Sultan, wollte Mogador zum größten Hafen seines Landes machen. Mit Erfolg: Die
Hälfte des jährlichen Handels wird hier abgewickelt.“
    Je weiter sie kamen, desto belebter wurden
die Gassen. Sibylla bestaunte dunkelhäutige Frauen in bunten Baumwollkleidern,
die auf dem Kopf Körbe mit Einkäufen vom Souk zu den Häusern ihrer Herren
trugen. Araber kamen vom Gebet aus der Moschee, und bärtige Juden – in den
dunklen Turbanen und schwarzen staubigen Kaftanen, die sie, erklärte Willshire,
laut Befehl des Sultans tragen mussten – eilten gesenkten Hauptes vorbei.
Einige Male passierten sie auch Berber in wollenen braunen Überwürfen, den
Krummsäbel über die Schulter geworfen. Mr. Willshire informierte sie, dass die
Berber dieser Gegend entweder zu den Stämmen der Chiadma oder der Haha
gehörten. Die Chiadma waren sesshaft, betrieben Ackerbau und hatten ihre Dörfer
in der Ebene, während die im Atlas beheimateten Haha nomadische Viehzüchter
waren. Mitunter befehdeten sie sich auch.
    Mr. Willshire erzählte weiter, dass die
Häuser der europäischen Kaufleute rund um den Palast des Statthalters lagen,
nicht weit von der westlichen Befestigungsmauer und dem Hafen, und bald darauf
hielten sie vor einem der schmucklosen weiß gekalkten Gebäude. Die Eingangstür
aus blau gestrichenen Balken war offen. Ein breitschultriger schwarzer
Torwächter stand davor.
    „Das ist Hamid“, stellte der Konsul ihn vor.
    Hamid verbeugte sich vor Willshire und den
Neuankömmlingen und ließ sie dann in einen dämmrigen schmalen Gang treten.
    „Wenn Sie erlauben, gehe ich voran.“
Willshire blickte zu Sibylla. „Meine Gattin hat für Ihre Ankunft alles putzen
und herrichten lassen. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen. Wir sind übrigens
Ihre Nachbarn zur rechten Seite. Auf der linken leben die de Silvas, eine
portugiesische Kaufmannsfamilie. Aus Europa sind noch Franzosen, Spanier,
Niederländer und ein paar Dänen hier. Außerdem gibt es eine Handvoll
brasilianische Familien. Insgesamt sind wir knapp zweihundert Ausländer, eine
eingeschworene Gemeinschaft also gegenüber den jeweils zehntausend Arabern und
Juden der Stadt.“
    „Und wie verständigen Sie sich bei so vielen
Nationalitäten?“, erkundigte Sibylla sich neugierig.
    „Wir sprechen von allem etwas“, erwiderte
Willshire lächelnd. „Aber hauptsächlich englisch, französisch und spanisch. Oh,
eines sollten Sie noch wissen! Die Dienstboten Ihres Vorgängers sind noch hier.
Den Torwächter haben Sie bereits gesehen. Außerdem ein arabischer Koch, ein
Gärtner und ein zwei schwarze Frauen. Sie waren früher Sklavinnen in arabischen
Häusern, später als Freigelassene in verschiedenen englischen Haushalten tätig.
Deshalb sind sie mit unseren Sitten bestens vertraut und sprechen auch unsere
Sprache. Sie müssen den Dienstboten allerdings den Lohn nachzahlen. Seit Mr.
Fishers Tod haben sie keinen mehr bekommen.“
    „Dann sind unsere Dienstboten hier keine
Sklaven?“, fragte Benjamin.
    Willshire schüttelte den Kopf. „Der Koch und
der Gärtner sind Araber und deshalb ohnehin keine Sklaven. Die anderen wurden
freigelassen, weil der Sultan den Ausländern in seinem Land die Sklavenhaltung
verboten hat. Als Christenmensch sollte man dieser barbarischen Sitte ohnehin
nicht frönen“, setzte er streng hinzu und ging Sibylla und Benjamin voran durch
den türenlosen Flur.
    Sie gelangten in einen quadratischen
Innenhof, der überraschend groß war. Ein Säulengang umrundete den Hof, von dem
man über mehrere Türen ins Innere des Hauses kam. Eine mit Schnitzereien
verzierte Holztreppe führte zu einem weiteren Umgang in der ersten Etage, von
dem ebenfalls mehrere Türen abgingen.
    Sibylla betrachtete entzückt den Hof. Endlich
sah sie ihn, den arabischen Garten ihrer Phantasie, und es war sogar ihr
eigener! In der Mitte befand sich ein flaches, von niedrigen Hecken umsäumtes
Becken, in dem klares Wasser plätscherte. Orangen- und Zitronenbäume spendeten
Schatten. Die Beete wurden von geraden, mit Marmor gefliesten Wegen begrenzt.
Eidechsen hatten sich auf dem warmen Stein gewärmt und huschten davon, als die
Fremden sich näherten. In den Bäumen sangen Vögel, und am Treppenaufgang
rankten zarte violette Blüten empor.
    „In diesem Riad werden Sie nun also leben“,
sagte Willshire. „Es ist zugegebenermaßen anders als ein europäisches Haus,
aber für das hiesige Klima

Weitere Kostenlose Bücher