Die Löwin
du nichts Besseres erwarten. Hier gehen gewiss Räuber aus und ein, und die Obrigkeit würde sich wundern, bekäme sie die geheimen Felsenkeller zu sehen, die solche Tavernen in den Bergwänden ringsum besitzen. Wir aber haben nichts zu befürchten, denn unsere wackeren Begleiter beschützen uns.« Mit diesen Worten schenkte Bianca sich, ihrer Freundin und Malle ein.
Der Wein schmeckte nicht schlecht, war aber eher minderer Qualität und hinterließ einen unangenehmen Nachgeschmack, der sich wie Galle auf die Zunge und den Gaumen legte und den ganzen Mund pelzig werden ließ. Daher verzichtete Caterina auf einen zweiten Becher. Malle und Bianca griffen jedoch kräftig zu und schienen sich zu erholen. Eine Weile spöttelten sie über Caterinas besorgte Miene, dann klangen ihre Stimmen müder und sie rieben sich immer wieder über die Augen.
»Ich glaube, der Weg war doch ein wenig zu anstrengend für uns. Wir sollten ein Stündchen ausruhen und erst weiterreiten, wenn die größte Tageshitze vorbei ist.« Bianca gähnte so stark, dass ihre Worte kaum verständlich waren.
Als sie den Mund wieder schließen konnte, legte sie ihren Kopf auf die Tischplatte und begann misstönend zu schnarchen. Gleich darauf tat Malle es ihr nach.
Nun war Caterina ganz sicher, in eine Falle gegangen zu sein. Sie wollte aufspringen, hatte aber nicht mehr die Kraft dazu. Obwohl sie sich zurückgehalten und nur wenig Wein getrunken hatte, waren ihre Glieder schwer und die Welt schien sich um sie zu drehen. Mühsam erhob sie sich, schob sich an der Wand entlang, die einen wilden Tanz mit ihr aufzuführen schien, und erreichte nach einer halben Ewigkeit das kleine Fenster, von dem aus man auf die Veranda blicken konnte. Die frische Luft, die ihr entgegenströmte, klärte ihre Sinne und sie konnte nach ihren Begleitern Ausschau halten. Als sie sie erblickte, war es, als griffe eine kalte Hand nach ihrem Herzen.
Ohne Ausnahme lagen die Männer wie gefällt am Boden, und nur gelegentliche Schnarchlaute verrieten, dass noch Leben in ihnen war. Während Caterina hilflos auf die Betäubten starrte und sich verzweifelt fragte, was sie in ihrem geschwächten Zustand unternehmen konnte, kam ein großer Reitertrupp den Hang herauf und hielt auf die Taverne zu. Es waren mehr als dreißig Mann. Als Caterina an ihrer Spitze Borelli erkannte, war ihr klar, dass sie nicht mehr lange zu leben hatte und ihr Ende grausam sein würde.
Ihr Vetter grinste über das ganze Gesicht, als er sich aus dem Sattel schwang, auf Friedel zutrat und ihn in die Seite trat. »Der schläft wie ein Toter! Also wird er uns nicht viel Mühe machen.«
Der Wirt trat selbstgefällig auf Borelli zu und berichtete ihm und Ranuccio, der sich wie ein Schatten an seinen Vetter heftete, wie leicht es ihm gefallen war, Caterina und ihre Leute zu überlisten.
»Wo sind die Weiber?«, unterbrach Borelli ihn, da ihn das Geschwätz nicht interessierte.
Der Wirt zeigte mit dem rechten Daumen auf das Fenster, hinter dem Caterina sich festklammerte. »In der Kammer! Sie sind ebenfalls betäubt. Aber ich habe zur Sicherheit den Riegel vorgeschoben.«
Jetzt erst begriff Caterina, dass sie sofort an Flucht hätte denken müssen. Trotz der Worte des Wirts schleppte sie sich zur Tür und rüttelte daran, doch diese gab nicht nach. Für einige Augenblicke geriet sie in Panik, dann zwang sie sich trotz der Lähmung, die ihren Körper erfasst hatte, zum Nachdenken. In diesem halbbetäubten Zustand wäre sie nicht weit gekommen, also würde sie auf eine bessere Gelegenheit zur Flucht warten müssen. Mit immer schwerer werdenden Beinen stakste sie zum Tisch zurück, nahm das kleine Messer, das der Wirt zum Schneiden des Käses hingelegt hatte, und ließ es in den gesteppten Stoffschichten verschwinden, die ihr Mieder stützten. Zwar besaß sie einen Dolch, der ebenso wie die Tasche mit ihrem Essbesteck am Gürtel hing, und ein weiteres Messer in einer Scheide unter ihrem Rock, doch wenn Borellis Leute sie durchsuchten, würden sie ihr beide Waffen abnehmen.
Draußen näherten sich nun Schritte, und Caterina fand gerade noch Zeit, sich an den Tisch zu setzen und den Kopf so auf die Arme zu legen, dass sie unbemerkt zwischen den Wimpern hindurchblinzeln konnte. Gleich darauf wurde der Riegel zurückgezogen und der Wirt, Borelli und sein Vetter drängten sich ins Zimmer.
»Da liegen sie, süß schlafend wie Engelein!«, spottete Borelli. Er trat auf Caterina zu, zog ihren Kopf an den Haaren hoch und
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