Die Londoner Drakulia Vampire 01 - Luzifers Wüstling
einer Frau zu gehören, genau wie sie vermutet hatte. Der Handschuh war fein genäht, das Leder weich wie Butter in ihrer Hand. Als sie ihn an die Nase führte, fand sie, dass dem seidenen Futter immer noch der Geruch von Voss anhaftete.
Und hier unten am Rand war ein Monogram eingestickt. VA, und mit einem großen geschwungenen D zwischen den Initialen, Voss Arden, Lord Dewhurst.
Schuldbewusst schaute Angelica zum Fenster der Kutsche hinaus. Aber obwohl seine Hand immer noch den Griff fest umklammerte, und er dort draußen auf dem Tritt stand, verbarg sich sein Gesicht zwischen den dunklen Falten seines Hutes und dem Mantelkragen.
Angelica schaute auf das schöne, glatte Leder herab.
Sollte sie es wagen?
Aber wollte sie es überhaupt wissen?
Aber dieser Mann faszinierte sie, und sie musste ihre Gedanken mit etwas anderem beschäftigen als Furcht. Und so schloss sie die Augen, zerdrückte Voss’ Handschuh in ihrer Hand und ließ ihren Gedanken freien Lauf.
~*~
Voss ging bei jeder Bewegung der Kutsche mit, so dass sein Gesicht – der einzige Teil von ihm, der nicht bedeckt war – nicht von der Sonne berührt wurde. Außerordentlich lästig, gewiss – aber deutlich weniger mühevoll, als dort drinnen auf engem Raum mit Angelica zu sein.
Für einen Augenblick waren all seine Gedanken wie weggefegt, als er wieder in dem Nebel roter Hitze versank, der ihn dort in dem Zimmer fast verschlungen hätte, als er dort hineinkam und sah, wie sie von Trastonio und dem anderen dreckigen Gemachten angegriffen wurde. Blutgeruch lag schwer in der Luft. Der von der zerfetzten Zofe und noch einer, süßer und viel verlockender. Von Angelica.
Nie würde er das Bild vergessen, das sich ihm darbot, sogar durch diesen plötzlichen heißen Nebel aus Lust und Begehren. Selbst jetzt, als seine Hände in ihren Lederhandschuhen den Griff hinten an seiner Kutsche fest umschlossen, sah er Angelica noch – mit aufgerissenen Augen, weißem Gesicht, zusammengekauert in der Ecke des Zimmers. Blankes Entsetzen stand in ihren dunklen Augen, ihr braunes Haar hing wild und schwer vor dem lose zusammengebundenen Ausschnitt ihres Unterhemds herab. Zwei weiße Füße und nackte Knöchel sahen darunter hervor, blutverschmiert ... und ihre Finger um ein Stück Holz geklammert, ihr Mund zusammengepresst und konzentriert, als sie sich anschickte sich zu verteidigen.
Luzifers bleiches Gebein! Fast hätte er sie verloren. Und damit auch seine Chance.
Und dann zu sehen, zu riechen, ihr Blut ... ein so intimer Teil ihrer selbst. Der Gedanke daran, der Geschmack davon, heiß und schwer, nur erahnt, auf seiner Zunge ... ihre Lippen geöffnet, lustvoll seufzend und der herrliche Körper von ihr, wie er sich für ihn öffnete ... Die Lust hatte ihn fast übermannt. Er musste die Finger in den Fensterrahmen krallen, als er sie wegschickte, um nicht restlos die Kontrolle über sich zu verlieren.
Voss dachte, sie würden mehr Zeit haben, dort bei Rubey. Er hatte nicht erwartet, dass einer von Rubeys eigenen Lakaien sie an jemanden wie Belial verraten würde – aber andererseits, ein Mann würde noch so manches mehr tun, für die Chance unsterblich zu werden.
Wirklich verdammtes Pech für den Mann, der jetzt stattdessen in der tödlichen Sonne brutzelte. Voss war sich sicher, dass Belial Edouard nichts von jenem besonderen Nachteil erzählt hatte, den man erlitt, wurde man zum Drakule gemacht.
Genauso wenig wie Luzifer Voss davon erzählt hatte, oder auch eine Reihe anderer lästiger Dinge verschwiegen hatte, die Teil ihres frevlerischen Pakts waren, darin eingeschlossen das Luziferzeichen, das ihm mit einer teuflischen Wut hinten an der Schulter pochte und höllisch schmerzte. Jede Kurve und Biegung der Kutsche, als sie Straßenkindern oder Müllhaufen auswich, dehnte ihm die Schulter und bescherte ihm neuen Schmerz. Als er Angelica weg von der toten Zofe und aus dem Zimmer geschickt hatte, anstatt einfach über sie herzufallen, hatte ihn der rasende Schmerz fast gelähmt.
Es freute Luzifer gar nicht, wenn einer seiner Drakule an jemand anderen dachte als an sich selbst.
Der Schmerz war seitdem nur ganz kurz etwas abgeklungen, und Voss wusste nicht, wie lange er dagegen noch ankämpfen konnte. Er schloss die Augen und lehnte seine Schläfe an die Kutsche, die noch warm von der Sonne war. Und er sog tief die Luft von einem Sommernachmittag in London ein:
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