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Die Luft, die du atmest

Die Luft, die du atmest

Titel: Die Luft, die du atmest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Buckley
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bückte sich, hob das Baby auf und drückte ihre Lippen in den warmen Flaum auf seinem Kopf. Auf seinem Ärmel schimmerte etwas. Ein Haar. Sie drehte ihn so, dass sie es abzupfen konnte.
    Maddie sagte: «Kate? Glaubst du, dass es irgendwo noch Fernsehen gibt?»
    «Keine Ahnung.»
    Ann schaute sich das feine goldene Haar an. Angst stieg in ihr auf. Es sah aus wie   … ein Katzenhaar. Aber wie war das möglich? «Kate», sagte sie. «Wo hast du das Hemd her, das Jacob anhat?»
    «Aus der Tüte mit seinen neuen Sachen.»
    «Die ich von nebenan geholt habe?»
    «Wahrscheinlich.»
    Sie meinte den Beutel mit gebrauchten Kindersachen, die Ann aus dem Schrank in Jacobs Zimmer mitgenommen hatte. Libbys Schwester musste eine Katze haben. Das war also die Ursache für Maddies Allergieschock. Katzenhaar, ihr bekannter Feind. Ihre Angst verwandelte sich in Erleichterung. «Guckt mal, ihr zwei», sagte sie. «Ein Katzenhaar.»
    Die Mädchen sahen sie an.
    «Ich werde Jacob jetzt umziehen», sagte Ann. «Und ihr zieht ihm nichts mehr von den neuen Sachen an, bis ich sie gewaschen habe.»
    Kate zuckte die Achseln und drehte sich auf den Bauch. «Okay.»
    In der Tür blieb Ann stehen und betrachtete ihre Töchter. Es half nichts, sie musste ihnen sagen, was zu tun war. «Hört mal zu. Wenn irgendwas passiert, dann möchte ich, dass ihr das Baby mitnehmt und zu Dr.   Singh geht.» Sie hatte ihn am Tag zuvor auf einer Trittleiter an der Regenrinne hantieren sehen, und ihn eine Weile beobachtet. Weder hatte er gehustet noch sich die Nase gewischt.
    «Wieso?» Maddie stützte sich auf einen Ellbogen. «Wir kennen ihn doch überhaupt nicht.»
    «Wie meinst du das: ‹Wenn was passiert?›» Kate richtete sich auf. «Bist du jetzt auch krank?»
    «Nein, ich bin nicht krank.» Sie schaukelte Jacob auf ihrer Hüfte. «Ich will bloß, dass ihr vorbereitet seid. Das ist alles. Dr.   Singh ist Arzt. Er wird für euch sorgen. Er wird euch helfen, Grandma und Tante Beth zu finden.»
    «Wie du meinst.» Kate legte sich wieder hin und zog sich die Decke bis ans Kinn.
    «Schatz, du musst mir zuhören.»
    Doch Kate drehte sich lediglich zu den Rückenpolstern um.
    Ann fühlte sich an Shazia erinnert. Sie hatte genauso still und abwesend gewirkt. Wo war Shazia jetzt? War sie bei Harold? Bei dem Gedanken fühlte sich Ann noch einsamer als zuvor.
    Maddie sah sie an. «Ich hab dir zugehört, Mommy.»
    Ann lächelte ihrem mitfühlenden Kind zu. «Das ist schön, mein Kleines.»
    Peter hatte recht gehabt. Die Nachbarn hätten sich zusammentun sollen. Sie hätten sich damit abwechseln können, den Müll wegzubringen und die Supermärkte zu checken. Aber allehatten Angst gehabt. Keiner hatte dem anderen mehr getraut. Nicht einmal Libby hatte sie noch vertraut.
    Wie man sich bettet, so liegt man.
Das hatte Peter dazu gesagt. Er hatte recht gehabt. Sie verdiente es nicht besser. Und jetzt war niemand mehr da, der ihr half.
    Sie schaute durch das Fenster nach draußen. Unter der Birke lag Barney und schlief. Ihr kam eine Idee.
     
    Draußen war es still. Alles war in dichten Nebel gehüllt. Nur ihre Schritte hallten durch die Straße. Sie blieb stehen und betrachtete das Haus am Ende der Kurve.
    In Libbys Haus einzudringen war etwas anderes gewesen. Da hatte sie es für das Baby getan. Und sie war früher schon unzählige Male dort gewesen. Es war ihr nicht wie ein Einbruch vorgekommen. Sie kannte die Muster, die das Sonnenlicht morgens auf den Fußboden malte. Sie wusste, dass der Fußboden unter dem Esstisch knarrte, aber nur im Sommer, und dass man von einer Stelle unten an der Treppe die Fernseher in drei verschiedenen Zimmern laufen hörte.
    Doch dieses Haus war ihr fremd. Sie war dort nie freundlich begrüßt, nicht ein einziges Mal hereingebeten worden. Sie hatte höchstens mal die Tür offen stehen sehen, wenn sie auf dem Gehweg vorbeispazierte. Selbst dann hatte sie nie mehr als einen Lichtschein oder ein Stück Parkettboden gesehen, ehe sich die Tür wieder schloss.
    Die Haustür war ordentlich verriegelt. Sie musterte das kleine Fenster neben der Tür. Selbst wenn sie es einschlug, war ihr Arm nicht lang genug, um an den Riegel zu kommen. Und wenn die Tür außerdem noch abgeschlossen war? Ann sank der Mut.
    Die Pforte neben dem Haus ging mit leisem Quietschen auf, sobald sie sie berührte, und sie betrat einen uneinsehbarenGarten, eingerahmt von großen Sträuchern. Efeu lappte über die Mauern. Ein Swimmingpool war mit einer verwitterten

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