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Die Luna-Chroniken, Band 1: Wie Monde so silbern (German Edition)

Die Luna-Chroniken, Band 1: Wie Monde so silbern (German Edition)

Titel: Die Luna-Chroniken, Band 1: Wie Monde so silbern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marissa Meyer
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vor ihr abgestellt hatte, wutentbrannt an, eine Frau mittleren Alters mit feinen grauen Haaren. Diese wich zurück, die Augen so rund wie der Spiegel auf dem Teller.
    Levana war so schnell aufgesprungen, dass ihr Stuhl umgekippt war. Die Stühle quietschten auf dem Boden, als alle am Tisch aufstanden.
    »Sprich, du abscheuliche Erdbewohnerin! Wie kannst du es wagen, mich derart zu beleidigen?«
    Die Dienerin schüttelte nur stumm den Kopf.
    »Eure Majestät …«, begann Kai.
    »Sybil!«
    »Meine Königin.«
    »Dieser Mensch hat mich respektlos behandelt. Das dulde ich nicht.«
    »Eure Majestät!«, sagte Torin. »Bitte, beruhigt Euch. Wir wissen nicht, ob diese Frau Schuld daran hat. Wir sollten keine voreiligen Schlüsse ziehen.«
    »Dann statuieren wir an ihr ein Exempel«, sagte Sybil kühl, »und der Täter wird unter seiner Schuld leiden, eine oft noch schlimmere Strafe.«
    »Aber so funktioniert unser System nicht«, sagte Torin mit rotem Gesicht. »Solange Ihr zu Gast im Staatenbund seid, werdet Ihr Euch an unsere Gesetze halten.«
    »Ich werde Ihre Gesetze nicht befolgen, wenn sie als Nährboden für Ungehorsam dienen«, sagte Levana. »Sybil!«
    Sybil ging um den umgekippten Stuhl der Königin herum. Die Dienerin wich vor ihr zurück, verbeugte sich, murmelte Entschuldigungen, bat um Gnade und wusste kaum mehr, was sie sagte.
    »Halt! Lassen Sie sie in Ruhe!«, rief Kai und eilte zur Dienerin.
    Sybil schnappte sich ein Messer vom Beistelltisch und reichte es der Dienerin mit dem Heft voran. Die Frau weinte und nahm das Messer mit flehendem Blick.
    Kai sah ungläubig zu. Er war abgestoßen und hypnotisiert zugleich, als die Dienerin die Klinge gegen sich selbst richtete und dabei das Heft mit beiden Händen umklammert hielt.
    Sybil beobachtete sie mit ihrem schönen, selbstgefälligen Gesicht.
    Die Hände der Dienerin zitterten. Langsam hob sie das Messer, bis die glänzende Klinge an ihrem Augenwinkel lag.
    »Nein«, wimmerte sie. »Bitte nicht!«
    Kai erbebte, als ihm klar wurde, wozu Sybil die Frau zwingen wollte. Sein Herz raste, er setzte sich aufrecht hin und sagte: »Ich war es!«
    Es wurde still im Saal. Nur das Schluchzen der Frau war zu hören.
    Alle sahen Kai an. Die Königin, Torin, die Dienerin mit einem kleinen roten Kratzer am Augenlid, das Messer noch in der Hand.
    »Ich war es«, wiederholte er. Er sah Sybil an, die ihn ungerührt beobachtete, und dann Königin Levana.
    Die Königin ballte die Hände zu Fäusten. Ihr dunkler Blick schien auf ihm zu brennen. Und dann war sie auf einmal, nur für einen Moment, furchtbar hässlich mit ihren hämischen Korallenlippen.
    Kais Zunge war schwer. »Ich habe das Küchenpersonal angewiesen, den Spiegel auf Euren Teller zu legen.« Er presste die Arme an seinen Körper, damit sie aufhörten zu zittern. »Es sollte bloß ein Scherz unter Freunden sein. Jetzt merke ich, dass ich mich ignorant verhalten und kulturelle Grenzen übertreten habe. Ich kann mich nur entschuldigen und Euch um Verzeihung bitten.« Er sah Levana direkt in die Augen. »Aber wenn Ihr jemanden dafür bestrafen wollt, so richtet Euren Zorn gegen mich, nicht gegen die Dienerin, denn sie wusste nichts davon. Mir allein sollte die Strafe gelten.«
    Er hatte die Spannung schon während der Vorspeise als fast greifbar empfunden, aber jetzt bekam er kaum noch Luft.
    Während Levana ihre Möglichkeiten abwog, beruhigte sich ihr Atem. Sie glaubte ihm nicht – es war eine Lüge, und alle Anwesenden wussten es. Aber er hatte gestanden.
    Sie öffnete die Fäuste und strich ihr Kleid glatt. »Lass die Dienerin gehen.«
    Die Spannung verpuffte. In Kais Ohren knackte es, als hätte sich der Luftdruck im Saal verändert.
    Das Messer fiel klappernd zu Boden und die Dienerin taumelte rückwärts gegen eine Wand. Sie verbarg das Gesicht in ihren zitternden Händen.
    »Ich danke Euch für Eure Ehrlichkeit, Eure Hoheit«, sagte Levana tonlos. »Ich nehme Eure Entschuldigung an.«
    Die weinende Frau wurde aus dem Speisesaal geleitet. Torin beugte sich über den Tisch und bedeckte den Spiegel mit einer silbernen Glocke. »Serviert unserem verehrten Gast das Hauptgericht.«
    »Das ist nicht mehr notwendig«, antwortete Levana. »Mir ist der Appetit vergangen.«
    »Eure Majestät …«, begann Torin.
    »Ich ziehe mich in meine Gemächer zurück«, sagte die Königin. Sie warf Kai über den Tisch hinweg einen scharfen Blick zu, dem er nicht ausweichen konnte. »Heute Abend habe ich etwas Wichtiges über

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